Rezension

Ein kalter Winter

Der Trümmermörder - Cay Rademacher

Der Trümmermörder
von Cay Rademacher

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im so genannten Hungerwinter 1946/47 herrschten in Hamburg wochenlang arktische Temperaturen, die Eisschicht auf der Elbe betrug bis zu 3m. Die Versorgung der ausgebombten und von den Briten besetzten Stadt war unter diesen Bedingungen schwierig - ohne Kohle konnten keine Züge fahren und durch den eingeschränkten Bahnverkehr keine Kohle u. a. Güter in die Stadt transportiert werden. Die Ermittlungsarbeit der Polizei hat sich den Versorgungs- und Verkehrsproblemen unterzuordnen. Sie leidet wie das gesamte Leben in der Stadt unter der mangelhaften Energieversorgung und der Beschlagnahmung der wenigen vorhandenen PkW durch die Besatzungsarmee.

An weit auseinanderliegenden Fundorten werden zwei Frauen, ein alter Mann und ein kleines Mädchen erwürgt aufgefunden. Im Vergleich zur Hamburger Bevölkerung und den zahlreichen Flüchtlingen in den Behelfsunterkünften der Stadt fielen bei den beiden toten Frauen ihre gepflegten Hände auf. Durch die strenge Kälte lässt sich der Todeszeitpunkt kaum eingrenzen. Oberinspektor Frank Stave von der Hamburger Kripo bewegen die Todesfälle außergewöhnlich, weil die Toten offenbar von niemandem vermisst gemeldet wurden. In den Hungerjahren nach dem Zweiten Weltkrieg ist sich jeder selbst der Nächste. Stave bekommt im Fall des "Trümmermörders" von der Britischen Besatzungsarmee Lieutenant MacDonald an die Seite gestellt. Die Nerven der Bevölkerung liegen durch die schlechte Versorgung blank, Bürgermeister Max Brauer will die Polizei Flagge zeigen lassen und dadurch Ängste vor einem Serienmörder möglichst im Keim ersticken.

Nach der Entnazifizierung der Bevölkerung und Entlassung aller Parteimitglieder aus dem Öffentlichen Dienst hat die Polizei als Behörde noch nicht zur Alltagsroutine zurückgefunden. Stave geben die teils aufallend nichtssagenden Lebensläufe des Polizeinachwuchses und die Motive zu denken, aus denen die neuen Kollegen sich bei der Polizei beworben haben. Stave selbst, von einer Beinverletzung beeinträchtigt, kann sich nach vier Jahren noch immer nicht mit dem Tod seiner Frau durch einen britischen Bombenangriff abfinden und wartet seit langem auf eine Nachricht seines Sohnes, den er irgendwo in Russland vermutet. Bei seinen Ermittlungen, zu denen ihm außer MacDonald ein junger Kollege vom Sittendezernat zugeordent wurde, zeigt Frank Stave sich erfinderisch. Er recherchiert auf dem Schwarzmarkt und in Notunterkünften, um wenigstens die Identität der Toten festzustellen - bisher erfolglos.

Fazit
Cay Rademacher lässt den Hungerwinter 1947 so lebendig werden, als hätte er ihn selbst miterlebt. Sein Kriminalroman, der einen authentischen Fall zum Vorbild nimmt, beeindruckt durch exakte Recherche und die Einfühlung des Autors in seine Figuren, die im zweiten Friedensjahr erst allmählich wieder im Alltag Fuß fassen. Der Schieber schließt zeitlich direkt an "Der Trümmermörder" an und spielt im Frühjahr 1947.