Rezension

Ein Klassiker der amerikanischen Moderne

Stoner - John Williams

Stoner
von John Williams

Bewertet mit 5 Sternen

Der Roman Stoner von John Williams ist ein moderner Klassiker der US-amerikanischen Literatur. Erschienen ist er 1967 und war lange Jahre ausschließlich antiquarisch zu bekommen. Ganz vergessen war er aber nie.
So ließ sich beispielsweise der irische Autor Colum McCann 50 Exemplare des vergriffenen Buches beschaffen, um es an besondere Freunde weiterverschenken zu können. 1999 legte Edwin Frank Stoner in seiner Reihe “New York Book Review Classics” neu auf. Seither wurde der Roman in zahlreiche Sprachen übertragen und liegt jetzt auch auf Deutsch in einer hervorragenden Übersetzung vor.

Die Geschichte ist im Grunde ein einfache, denn Williams schreibt einen klassischen, stringent erzählten Entwicklungsroman von der Kindheit bis zum Tode seines Titelhelden.

William Stoner wächst zu Beginn des letzten Jahrhunderts als einziges Kind eines Farmer-Ehepaares in den einsamen Weiten Missouris auf. Kindheit und Jugend sind entbehrungsreich und geprägt von harter Arbeit, denn nur mühsam lässt sich dem kargen Boden der überlebensnotwendige Ertrag abringen. Trotzdem, das ist den Eltern wichtig, geht Stoner zur Schule und nach erfolgreichem Abschluss schicken sie ihn zur Universität nach Columbia. Dort soll er Landwirtschaft studieren, um später die Farm mit modernen Methoden weiter zu führen.
In einem Pflichtseminar zur Englischen Literatur entdeckt Stoner seine Leidenschaft und sein Talent für Sprache. Er wechselt zunächst den Schwerpunkt, dann das Studienfach, und beendet sein Literaturstudium als einer der besten seines Jahrgangs. Eine Stelle als Dozent an der Universität ermöglicht es ihm zu promovieren.
Die Universität wird seine neue Heimat, er lebt ganz für die Literatur und seine Studenten. Seine Ehe dagegen, sehr schnell geschlossen, entpuppt sich bald als großer Irrtum. Beide in eher kühler, wenig liebevoller Umgebung aufgewachsen, finden keinen Zugang zueinander. Edith, seine Frau, flüchtet sich zunächst in Krankheit und Depression, dann in fast schon manische Betriebsamkeit. Stoner konzentriert sich auf seine Arbeit. Erst Jahre später findet er Erfüllung und Leidenschaft in einer Affäre mit einer seiner Studentinnen.

Faszinierend an Williams Roman ist nicht so sehr, über was er schreibt, faszinierend ist vor allem, wie er es schreibt.
Er entwirft seine Figuren mit großer Präzision, lebensnah und nachvollziehbar. Obwohl, vielleicht auch gerade weil, er Stoner mit einem sehr eigenwilligen Charakter ausstattet, ist dieser in jedem Moment überzeugend. Williams beschreibt ihn als einen introvertierten Kopfmenschen, der, obwohl durchaus empathisch, seine Gefühle nur schlecht nach außen tragen kann. Am liebsten vergräbt er sich in seine Bücher oder diskutiert mit seinen Studenten über die englische Literatur der Renaissance. Ein intelligenter, liebenswerter, duldsamer Mensch, der allerdings mit wenig ausgestattet ist, sich oder diejenigen, die er liebt, zu schützen.
So lässt er zu, dass Edith ihm die gemeinsame Tochter, zu der er in den ersten Jahren ein enge, liebevolle Beziehung aufbaut, entfremdet und sie mit ihrer kalten, überambitionierten Erziehung zerstört. Die Liebesbeziehung zu seiner Studentin gibt er auf, weil er als Opfer einer Intrige sonst alles zu verlieren droht. Ein tragischer Held also, aber ein sympathischer, in den man sich einfühlen kann, mit dem man mitfühlt, dem man beistehen möchte.

Was das Buch aber tatsächlich zu einem Meisterwerk macht, ist die Sprache Williams. Ganz in der Tradition der klassischen Moderne, schreibt Williams in kurzen, einfachen Sätzen, klar, verständlich und ausdrucksstark. Gleichzeitig beschreibt er so plastisch und präzise, dass man meint, die trockene Erde Missouris vor sich stauben zu sehen und die kalte Enge seines Studentenzimmers förmlich zu spüren.

Ein literarisches Juwel also, das sich auch in der deutschen Übersetzung zu lesen lohnt, wenngleich die Lektüre des Originals dem grundsätzlich immer vorzuziehen ist.

Originaltitel: Stoner
Übersetzt von Bernhard Robben