Rezension

Ein Klassiker, der noch viel zu sagen hat

Der eingebildete Kranke - Molière

Der eingebildete Kranke
von Moliere

Bewertet mit 4 Sternen

Argan hat den perfekten Plan. Da er sich todkrank glaubt und sein Wohlbefinden völlig von Ärzten abhängig gemacht hat, soll seine Tochter Angelika einen Arzt heiraten – so hat er immer einen verfügbar, wenn er ihn braucht. Angelika hat sich aber bereits verliebt. Mit dem klugen Dienstmädchen Antoinette will sie die Pläne ihres Vaters durchkreuzen.

Das Theaterstück liest sich nett, aber unspektakulär. Die Themen sind bekannt: ein vorherbestimmter, unerwünschter Verlobter, eine durchtriebene Stiefmutter, der Konflikt zwischen zwei Generationen. Die Ärztekritik und der Fäkalhumor sind dagegen so zeitgebunden, dass sie als schlichter Text kaum ihren Witz entfalten. Man spürt aber förmlich wie unter der Schrift die Lebendigkeit des Werkes zittert, voller Erwartung sich im Spiel zu entfalten.

Vor allem in Verbindung mit dem ausführlichen Kommentarteil gewinnt das so schlicht erscheinende Theaterstück auch als Text interessante Dimensionen. Kaum zu glauben, dass es aus dem 17. Jahrhundert stammt, denn die Themen sind bis ins frühe 20. Jahrhundert aktuell geblieben. Böse Stiefmütter, arrangierte Hochzeiten, der Kampf der Jugend um Selbstbestimmung, die Arroganz und Borniertheit des Ärztestandes, der sich mit umfassenden Neuerungen seines Berufes schwer tut – das alles sind Motive, die immer wieder auftauchen.

Sehr schade ist, dass der vorliegende Text den Prolog und die Zwischenspiele weggelassen hat. Sie mögen zum Haupttext nicht viel beitragen, aber Molière hat sie als zu ihm gehörig geschrieben und so hätte ich von einer Textausgabe der Suhrkamp Bibliothek einen vollständigen Abdruck erwartet und sei es, dass sie in einem Anhang beigefügt worden wären.

Befremdet hat mich auch die Eindeutschung der französischen Namen. Merkwürdigerweise beschränkt es sich beinahe auf Angélique, die hier zu Angelika wurde. Eine Übersetzung im 21. Jahrhundert sollte auf eine solch absurde Übersetzungspraxis verzichten. Wenn sprechende Namen vom Autor bewusst verwendet wurden, sollten sie trotzdem in der Originalfassung bleiben und in einem Anmerkungsteil erläutert werden.

Fazit: Ein Theaterstück, das unterhält, sehr viel Interpretationsspielraum gibt und einen schönen Einblick in die Gesellschaft des 17. Jahrhunderts. Seine Lebendigkeit und seinen Witz entfaltet es allerdings erst auf der Bühne und auch dann ist es stark von der Aufführungspraxis abhängig.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 03. August 2019 um 12:58

Das stimmt. Ich würde es so gerne noch einmal aufgeführt sehen - in modernem Gewande am liebsten. Tapfer durchgequält!