Rezension

Ein kleines Highlight

Mein Herz und andere schwarze Löcher - Jasmine  Warga

Mein Herz und andere schwarze Löcher
von Jasmine Warga

Bewertet mit 5 Sternen

„Je mehr wir über unsere Traurigkeit reden, desto mehr wage ich zu glauben, dass es eine Möglichkeit geben könnte, uns zu helfen und uns zu reparieren. Eine Möglichkeit, dass wir einander retten.“ (S. 290)

„Mein Herz und andere schwarze Löcher“ ist ein Jugenddrama der Newcomer-Autorin Jasmine Warga. Ich – jemand der nur sporadisch Jugendbücher liest und immer auf der Suche nach dem Besonderen ist, habe dieses Buch nur kurz beiseite legen können und es ansonsten in einem Rutsch lesen müssen! Denn dieser Roman ist nicht bloß besonders, sondern auch viel erwachsener, als die meisten Vertreter dieses Genres. Aber was macht dieses Buch so besonders?

Zu aller erst einmal die Rahmenhandlung. Es geht um die schwer depressive jugendliche Aysel, die beschließt, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Dazu hat sie sich in einer Internet-Plattform angemeldet und lernt direkt den nicht weniger depressiven Roman kennen, mit dem sie sich von einer Klippe stürzen will. Beide haben meiner Meinung nach auch sehr nachvollziehbare Gründe für ihre Verzweiflung. Aysel ist aufgrund ihres wegen Mordes inhaftierten Vaters in eine tiefe Depression gerutscht, Romans Grund möchte ich hier nicht vorwegnehmen.

„Mein Leben kann in zwei klare Abschnitte unterteilt werden: die Zeit, bevor mein Vater in den Abendnachrichten auftauchte, und die Zeit danach.“ (S. 13)

Nun zu dem Charakter Aysel, der meiner Meinung nach höchstspannend ist und das Buch wahnsinnig bereichert.Gleich zu Beginn werden wir in ihre Alltagssituation geworfen. Ein ziemlich unspektakulärer Nebenjob in einem Call-Center und Menschen, die ihr das Leben unnötig schwer machen. Dabei die tiefe Traurigkeit, die sie als „schwarze Qualle“ bezeichnet und ihr Alltagsbegleiter ist. Ja, ich habe stark mit ihr mitgefühlt und sie in den Arm nehmen mögen. Aber, was Aysel noch so unheimlich liebenswert und stark macht, ist der Zynismus, mit dem sie den Widrigkeiten ihres Lebens trotzt. Außerdem ist sie ein sehr aufgeweckter und intelligenter Charakter, der es aber objektiv betrachtet gar nicht so schwer haben müsste, wäre er nicht von Selbstzweifeln zerfressen. Denn neben der eigentlichen Tat ihres Vaters mit allen daraus für sie resultierenden Konsequenzen, hat Aysel große Angst, sie trüge die Veranlagung für diese kriminelle Ader in sich und wäre irgendwann selbst zu einer solchen Tat bereit. Aysels Gedankengängen zu folgen, mögen sie noch so verquer gewesen sein, fand ich wahnsinnig spannend.

Roman ist ein komplett anderer Typ Mensch als Aysel. Er ist einer dieser hoch begnadeten Sportler, die in Highschool-Filmen immer als „cool“ gelten und unbeschwert durchs Leben gehen. Von außen betrachtet hat sich daran auch nicht so viel verändert, aber innerlich ist der Suizid sein größter Wunsch und er lebt bloß noch für den Tag, der sein letzter sein wird. Er gesteht dem Leben absolut keine positiven Aspekte mehr zu.

„Wenn ich einen Freund hätte, hieße er Tod. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Roman ebenfalls in ihn verliebt ist. Es ist wie eine Dreiecksbeziehung, die nicht funktioniert. Oder vielleicht ist es ja auch eine Dreiecksbeziehung, die funktioniert.“ (S. 137)

Als die beiden Charaktere aufeinander treffen, misstrauen sie einander gnadenlos und stellen den Willen des anderen infrage. Erst langsam baut sich eine freundschaftliche Beziehung auf, indem der jeweils andere der größte Vertraute wird und sie sich einander so verbunden fühlen, dass dagegen kaum etwas ankommt. Bei wem der Kitsch-Radar nun ausschlägt, den kann ich beruhigen. Diese Entwicklung hat nichts von einer normalen „und am Ende leben sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ Geschichte, sondern baut sich ganz allmählich und sehr nachvollziehbar (wenn man den Hintergrund bedenkt) auf. Es sind so aufflackernde Glücksmomente, die in solchen Situationen Wunder wirken können.

Der Schreibstil ist dem eines Jugendbuches angemessen, sehr flüssig und aufs Wesentliche fokussiert. Und das Wesentliche in diesem Buch hat mich wahnsinnig tief berührt. Es gab kleine Spannungselemente und über allem schwebte immer dieser Gedanke des nahenden Endes, was dem Leben allerdings eine noch größere Bedeutung geschenkt hat.

Ich kann von Herzen eine große Leseempfehlung für diesen Roman aussprechen, denn er ist, genau wie das Cover zeigt, schwarz-weiß mit vielen bunten Sprenkeln.

              - Wunderschön, tragisch, spannend, lebensbejahend und vor allem wichtig in einer Zeit, in der das Wort Depression für viele einen bitteren Nachgeschmack hat!