Rezension

Ein Krimi ohne Leiche, historischer und feministischer Roman in einem

Der Verdrüssliche -

Der Verdrüssliche
von Eva Holzmair

Drei Perspektiven, drei Handlungsstränge, drei Geschichten, die gekonnt miteinander verflochten zur Auflösung führen. Bravo!

In dem Roman von Eva Holzmair geht es um eine verschwundene Alabasterbüste, eines der über fünfzig Selbstportraits des deutsch-österreichischen Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt (1736 – 1783). Die Handlung spielt sich aus der Sicht von drei Figuren ab. Die erste ist Dr. Carola Broggiato, eine pensionierte Hofrätin mit einem Krebsleiden. Brogiatto arbeitete „in ihrer aktiven Zeit“ im österreichischen Bundesdenkmalamt und ist eine begeisterte Kunstliebhaberin. Sie erfährt durch Zufall, dass die Skulptur „Der Verdrüssliche“ von dem Künstler Franz Xaver Messerschmidt das Wiener Kunstmuseum Belvedere verlassen hat. Es wurde verkauft, offenbar ohne dass Informationen über dieses Geschäft an die Öffentlichkeit drangen. Broggiato weiß aus ihrer Zeit als aktive Hofrätin, dass die Skulptur normalerweise Österreich nur als Leihgabe hätte verlassen dürfen und beginnt zu ermitteln.

Die zweite Perspektivfigur ist die junge Malerin Gitta Hausladen. Hausladen hat einen Aufenthalt in einer psychatrischen Klinik hinter sich und versucht, sich wieder in den Alltag einzugewöhnen und sich um ihr Kind im Grundschulalter zu kümmern. Hartnäckig kämpft Hausladen gegen ihre gelegentlichen Wahnvorstellungen und ständigen Selbstzweifel an. Allmählich kristallisiert sich heraus, dass Mitglieder der Familie Hausladen verstrickt sind in die zentrale Frage des Romans: Was ist mit der Skulptur des „Verdrüsslichen“ geschehen?

Die dritte Perspektive, vielleicht die, die mir am besten gefallen hat, ist sicher die ausgefallenste. Der Charakterkopf „Der Verdrüssliche“ kommentiert die Gegenwart und erzählt von seiner jahrhundertelangen Vergangenheit. Die Figurensprache ist Holzmair hier ganz besonders gelungen. Ein wenig altertümlich, ohne altbacksch zu wirken, voller Witz und Lebensweisheit.

Die drei Handlungsstränge, die zunächst scheinbar nichts miteinander zu tun haben, verweben sich, schaukeln die Spannung hoch und enden in der überraschenden und schlüssigen Auflösung des Falls.

Holzmair ist ein spannender Krimi gelungen, der mich wie ein historischer Roman mit dem Wirken Messerschmidts und der Gesellschaft im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert vertraut macht. „Der Verdrüssliche“ ist auch ein feministischer Roman. Die Figuren der Dr. Broggiato und der Künstlerin Hausladen kämpfen trotz ihrer jeweiligen Krankheit um Anerkennung und Selbstbestimmung. Sie lassen sich von Konventionen oder Hindernissen manchmal kurz bremsen, jedoch nie aus der Bahn schlagen. Letztendlich ist Holzmairs Roman auch einfach ein belletristischer Leckerbissen, der allein wegen seines geschliffenen Schreibstils, der prägnanten Sprache und der einfühlenden Figurenpsychologie eine eindeutige Leseempfehlung verdient hat.