Rezension

...ein kurzer aber sehr pointierter Blick "hüben wie drüben"!

Wie Frau Krause die DDR erfand - Kathrin Aehnlich

Wie Frau Krause die DDR erfand
von Kathrin Aehnlich

„Wild Ost“ lautet der Arbeitstitel einer 6-teiligen Fernsehserie, die erstmals vom wahren Leben in der ehemaligen DDR erzählen soll. Isabella Krause, ein Kind des Ostens und am „Tag der Republik“ geboren (…Zufall, da bei der Frau Mama die Wehen zu früh einsetzten!), stolpert als durchaus gelernte aber erfolglose Schauspielerin in ein Casting und erhält den Auftrag zehn ganz normale Ost-Deutsche zu finden, die von ihrem Leben unter diesem politischen Regime erzählen. Frau Krause findet sie: authentisch, unverstellt und ganz normal. Doch dem westdeutschen Regisseur sind diese Menschen zu normal und (vor allem) zu unspektakulär. Er will das brutale, ehrliche Leben – oder vielmehr das Leiden – unter Diktatur, Mangelwirtschaft und Staatssicherheit sehen. So bleibt Frau Krause nichts anderes übrig als die realen Schicksale mit Hilfe ihrer Schauspielfreunde „aufzuhübschen“…!

Was ist übrig geblieben nach 30 Jahren Wiedervereinigung? Welche Klischees sind standhaft im west-deutschen Gedächtnis haften geblieben? Wie war es denn, das Leben der anderen? Die Deutsche Demokratische Republik bestand eben nicht nur aus Diktatur, Mangelwirtschaft und Staatssicherheit. Für die dort lebenden Menschen war dieses Land vorrangig Heimat…, Heimat und ein Zuhause: Da wird sich arrangiert und werden Kompromisse gefunden. Niemand (egal ob in Ost oder in West) hinterfragt seine Heimat. Wir werden hineingeboren und sehen es als gegeben an. Als Zuhause gilt ganz sicher nicht das vorherrschende politische Regime sondern die Familie, die Freunde und Arbeitskollegen, der Heimatort und die Landschaft. So war auch ein friedliches, „ganz normales“ Leben in der DDR möglich.

Kathrin Aehnlich räumt mit den Klischees zwischen Ost und West auf. Dabei geht sie sehr behutsam vor, demaskiert weder die Menschen im Osten noch im Westen des Landes, offenbart aber auch die Tragödien, die hinter der Wiedervereinigung stecken.

„Wiedervereinigung“ ist auch so ein Wort, das nicht richtig benennt, was es beschreiben soll! „Wiedervereinigung“ klingt nach „Zwei Partner, die getrennt wurden, finden wieder zueinander!“. Trifft es das? Hatten wir es mit zwei gleichberechtigten Partnern zu tun? Ich hatte eher den (natürlich subjektiven) Eindruck, dass der Osten seine Identität verlor und sich dem Heilsbringer West beugen musste. Auch durchaus Positives aus dem Osten wurde zur Seite gedrängt oder verwestlicht.

Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Nach Öffnung der Grenze und nachdem die erste Euphorie abgeklungen war, veränderte sich die Stimmung im Westen. Niemanden ging es trotz Aufbau Ost und Solidaritätszuschlag schlechter, und trotzdem wurden „kritische“ Stimmen laut und die Vorurteile geschürt: „Der Ossie nimmt uns die Arbeitsplätze weg.“, „Der Ossie weiß ja gar nicht, wie man richtig arbeitet.“ und „Die sollen die Mauer lieber wieder aufbauen – aber diesmal 3 Meter höher…!“. Übrigens erklangen in Ost wie in West ähnliche Töne zur Flüchtlingswelle in der jüngeren Vergangenheit.

Die gewaltfreie Revolution vor 30 Jahren mit der anschließenden Wiedervereinigung ist ein Meilenstein unserer Geschichte. Wir können wahrlich stolz sein!

Kathrin Aehnlich ist ein wunderbares, kleines Buch gelungen, das anschaulich einen humorvollen Einblick in die gesamtdeutsche Seele gewährt und gleichzeitig zart und pointiert Schicksale porträtiert. So stehen diese kleinen, anrührenden Lebensläufe zurecht im Zentrum der Aufmerksamkeit des Lesers und bilden den Schwerpunkt des Romans und nicht die Titelgebende „Erfindung der DDR“.