Rezension

Ein langer Tag mit langen Sätzen

Mrs. Dalloway -

Mrs. Dalloway
von Virginia Woolf

Bewertet mit 5 Sternen

Mrs. Clarissa Dalloway plant eine Abendgesellschaft.
Es ist ein besonderer Tag im Leben der zweiundfünfzigjährigen.
Sie ist die Gattin eines Parlamentsabgeordneten, will am Abend
eines ihrer berühmten -upper class dinner- geben.
Der Tag vergeht mit freudigen Vorbereitungen, zufälligen Begegnungen mit
Jugendfreunden, Konversation, nostalgischen Betrachtungen, Sinneseindrücken
beim Flanieren.
Ein besonderer Tag soll es, aus ganz anderen Gründen,
auch für Septimus Smith werden. Auch ihn beschäftigt die
Gegenwärtigkeit des Vergangenen in jedem einzelnen Augenblick.
Ein traumatisierter Kriegsveteran, der am Ende Selbstmord begeht.

Virginia Woolf dringt in diesem Roman sehr tief in die Seele der Protagonisten
ein. Am Anfang erscheint der Roman ziemlich schwer zugänglich. Wenn man sich aber
darauf einlässt, erwartet einen ein wunderbarer, überraschend moderner Roman.
Es geht nicht nur um die Oberschicht, sondern auch um den Untergang der 
alten politischen Ordnung.
Um sexuelle Unterdrückung, Karrieren und ihr Scheitern,
Auswanderung zu einem neuen Aufbruch z.b. bis nach Kanada,
traumatisierte Kriegsveteranen, Depressionen, um Selbstmordgedanken.
Die Schreibweise ist etwas gewöhnungsbedürftig. Lange, endlos scheinende Sätze,
Reihen ohne Absätze. Mrs. Dalloways Gedanken, ihre Erinnerungen springen 
wie gehetzt hin und her. Ein lebhafter und munterer Perspektivwechsel,
praktisch ein Redestrom an Selbstgesprächen.
Scheinbar Unwichtiges wird hervorgehoben und dadurch wichtig.
Die Sätze sind wohlgeformt, voller Leben und wuchtig in der Aussage.
Teilweise sehr poetisch.
Ein wunderbarer Klassiker der einen recht kritischen Blick auf Wohlstand und Armut, 
der Dienstboten und ihrer Herrschaften gibt.
Das liegt auch an der wunderbaren Übersetzung ins Deutsche von
Dr. Hannelore Eisenhofer