Rezension

Ein Leben nach Auschwitz – die Liebe zu einem Überlebenden

Der Schrecken verliert sich vor Ort - Monika Held

Der Schrecken verliert sich vor Ort
von Monika Held

Bewertet mit 5 Sternen

Wie lebt es sich, wenn man das Vernichtungslager Auschwitz überstanden hat? Wie kann man mit dem Gefühl der Schuld weiterleben? Wie ist es, einen traumatisierten Mann zu lieben? Wie ist es, wenn Auschwitz 'immer dabei ist'?

Dies ist eines der besten Bücher, das ich je zum Thema gelesen habe. Es geht nicht in erster Linie um diese Untaten – das wohl auch - sondern darum, wie es einem Überlebenden damit geht und auch seinen Liebsten, Angehörigen, Freunden.

"Auschwitz ist ein Ozean aus Geschichten und meine darin nicht mehr als ein Tropfen" (eBook 159), sagt Heiner, der nur überleben wollte, um später als Zeuge von den unsäglichen Nazi-Verbrechen zu berichten. Bei einem solchen Prozess lernen er, der ehemalige Kommunist aus Wien und die Dolmetscherin Lena sich kennen und lieben.

Ich habe dieses Buch zum zweiten Mal gelesen (die vorige rEzension ist noch online), diesmal viel aufmerksamer und es hat mich ganz anders berührt, diese Geschichten von Menschen, die für immer Freunde sind, weil sie zusammen durch die Hölle gegangen sind, vor allem aber die einer starken Frau, die sich entscheiden muss, ob sie mit einem so schwer traumatisierten Mann leben kann und will. Auschwitz wird immer ein Thema zwischen ihnen sein.

"Für Heiner … ist Schönheit nicht der Ort der Erlösung. Schönheit quält und blendet ihn und macht die Bilder, die er in sich trägt, noch düsterer." (eBook 22)

Bei aller Auschwitz-Schrecklichkeit – die aber nichts Neues für die meisten Leser sein wird – gibt es auch andere bedrückende Episoden, aber auch schöne, was die Autorin meiner Meinung nach geschickt miteinander verwoben hat. Dieser Roman ist auch eine zarte, überhaupt nicht kitschige Liebesgeschichte.

Während andere das unvorstellbare Erleben verdrängt haben, ist es die 'Heiner-Therapie' (eBook 90), sich zu erinnern, zu erzählen, nicht zu vergessen. Lena steht ihm bei, aber seine verzweifelten Versuche, seine Erinnerungen mit ihr zu teilen, sind letztlich zum Scheitern verurteilt.

'Es ist unmöglich, 'Erinnerungen weiterzugeben wie ein Buch' (eBook 161) und bei einer Gerichtsverhandlung sagt Heiner zu den Richtern:

"Zwischen Ihren Vorstellungen und unseren Erfahrungen verkehrt kein Zug." (eBook 37)

Viele Themen werden in diesem Buch angerissen und regen den Leser zum Nachdenken an. Mein Gesamteindruck ist positiv und versöhnlich, weil es Heiner und Lena trotz aller Widrigkeiten gelungen ist, ihre Liebe zu bewahren.

"Zwei Menschen müssen lernen, dass Liebe der Versuch ist, den ganzen Kosmos, aus dem ein einzelner Mensch besteht, zu verstehen, mindestens zu akzeptieren."

Obwohl das Buch Schreckliches beinhaltet, obwohl es traurige Szenen gibt, gibt es auch menschliche Wärme, Liebe und Freundschaft und das macht das Buch im Ganzen so warmherzig, dass man es am Ende mit einem Seufzer zuschlägt und am liebsten noch bei den Figuren bleiben würde.