Rezension

Ein leiser und überzeugender Roman

Intimitäten -

Intimitäten
von Katie Kitamura

Bewertet mit 5 Sternen

Die Protagonistin von Katie Kitamuras Roman “Intimitäten” zieht von New York nach Den Haag, um am Internationalen Gerichtshof als Dolmetscherin zu arbeiten.  

“Intimitäten” ist ein Roman, der von Beobachtungen lebt, von seinen Charakteren und deren Innenleben und nicht von einem strikten Handlungsbogen und Spannungsaufbau. Deshalb macht es meiner Meinung nach auch nur wenig Sinn, seinen Inhalt in wenigen Zeilen zu beschreiben. Es ist ein introspektiver Roman, in dem Menschen aufeinandertreffen, die alle unter ganz unterschiedlichen Umständen in diese Stadt kommen, deren Wege sich kreuzen, die Nähe zueinander aufbauen, um sich im nächsten Moment wieder voneinander zu entfernen. Vor dem Hintergrund der Gerichtsprozesse, von menschlicher Grausamkeit und der Frage nach Recht und Unrecht, wird Intimität mit Entwurzelung, Unverständnis und Unmenschlichkeit parallelisiert. 

Gleichzeitig kontempliert der Roman die Rolle von Sprache. Er stellt die Frage, was Übersetzung bedeutet und was sie nicht nur mit dem Übersetzer, sondern auch mit dem Übersetzten und dem Zuhörer macht. Wie bringt Sprache Menschen näher? Wann bringt sie sie auseinander? All diesen Fragen geht der Roman vor dem Hintergrund eines Prozesses am Internationalen Gerichtshof auf kluge Weise nach. "Intimitäten" ist ein Roman, der sich lohnt, für den man sich aber auch öffnen muss und den man erst dann richtig wertschätzen kann.  

Ich jedenfalls mag diese Art “leiser” Romane, die sich auf ihre Charaktere konzentrieren und die Literatur als eine Wiedergabe des Lebens verstehen, in dem sich Spannung, Dramatik und Wendepunkte nicht ständig aneinanderreihen. Deshalb: Lest “Intimitäten”!