Rezension

Ein leises, ein starkes Buch

Was uns verbindet - Shilpi Somaya Gowda

Was uns verbindet
von Shilpi Somaya Gowda

Bewertet mit 5 Sternen

Nein, spannend im üblichen Sinn ist das Buch nicht. Es erzählt ruhig, fast möchte ich sagen sachlich-distanziert. Und doch war die Lektüre für mich von Anfang bis Ende fesselnd, packend, berührend.

Die Grundhandlung ist schnell erzählt. Eine kanadische Familie wird in ihren Grundfesten erschüttert, als das jüngste Kind Prem in einem unbeaufsichtigten Moment im Gartenpool ertrinkt. Jaya, die Mutter, die aus Indien stammt, kann nicht mehr arbeiten, driftet ab in Meditation und in religiöse Riten. Keith, der Vater, führt sein eigenes Leben mit viel Arbeit und wechselnden Geliebten. Karina, die große Schwester von Prem, die eine innige Beziehung zu ihrem Bruder hatte, gibt sich die Schuld an seinem Tod und geht einen besonders schweren Weg.

Der Autorin ist es auf leise  und sehr intensive Weise gelungen, die unterschiedlichen Wege, die die Familienmitglieder nach der Tragödie gehen, aufzuzeichnen. Besonders genau verfolgen wir den Weg von Karina, der von innerem Abgestorben-Sein über blindes Vertrauen zu verschiedenen Verführern hin bis zu zu langsamem Sich-Öffnen für eine hoffnungsvolle Zukunft geht. Mit tiefem psychologischem Verständnis und großem Einfühlungsvermögen, ohne jegliche Larmoyanz, erzählt die Autorin die völlig unterschiedlichen Verarbeitungswege der einzelnen Familienmitglieder, die es erst einmal auseinanderreißt, um Jahre später mit gereiftem Blick neu aufeinander zugehen zu können. Auch der krasse kulturelle Unterschied zwischen Indien und Kanada, zwischen Jaya und Keith, spielt eine wichtige Rolle, umso mehr als sich Karina, die beides in sich trägt, von dieser Diskrepanz schier zerrissen fühlt und erst viel, viel später den darin liegenden wahren Reichtum wahrnimmt. Die detailfreudige und atmosphärisch dichte Erzählweise nimmt gefangen. Ein geschickter Dreh der Autorin ist, gelegentlich aus der Perspektive des toten Prem, der ohne eigene Entwicklung, seine Familie jedoch genau beobachtend, zu berichten.

Ein leises und starkes Buch für Leser, die gerne empathisch und ruhig einer psychologisch klugen Geschichte folgen mögen. Mich hat das Buch sehr bewegt.