Rezension

ein Lesegenuß

Hamster im hinteren Stromgebiet - Joachim Meyerhoff

Hamster im hinteren Stromgebiet
von Joachim Meyerhoff

Bewertet mit 5 Sternen

„Hamster im hinteren Stromgebiet“ besticht nicht nur mit seinem ungewöhnlichen Titel, dessen Hintergrund man im Laufe des Romans begreift. Wie immer schafft es Joachim Meyerhoff auch sehr schnell, den Leser in sein Leben hineinzuziehen, was diesmal gar nicht so angenehm daher kommt, denn der Autor erleidet mit Anfang 50 am Frühstückstisch einen Schlaganfall und während seine Tochter die „Rettung“ alarmiert, erkennt der Meyerhoff, dass ihm gerade seine Selbstbestimmung und Bewegungsfreiheit abhanden kommt und er in einen Strudel aus Krankheit und Krankenhaus, aus Angst und Verwirrung und Sorge ums eigene Leben und Überleben stürzt.

Das Buch laviert auf zwei Gefühlsebenen. Da ist einmal die, des Kranken. Der Schlaganfall beinhaltet all jene Schrecken, die wir uns als Leser so ausmalen. Die Krankenhausroutine, die Ungewissheit und vor allem die Hilflosigkeit, dass nun Fremde ihm bei allen Alltagsverrichtungen – vor allem den höchst privaten und intimen – helfen müssen. Dabei ist der Autor schonungslos ehrlich und beschreibt sehr genau aber auch mit einem Augenzwinkern von seinen Erlebnissen. Ein erwachsener, gerade noch scheinbar gesunder Mann wird nun zu einem Menschen, dessen linke Körperhälfte von einer Minute auf die andere nicht mehr tut, was er möchte. Dass Meyerhoff darüber nicht verzweifelt liegt auch daran, dass er seine geistige Unversehrheit beginnt abzuklopfen und dabei sein bisheriges Leben Revue passieren lässt. Diese zweite Ebene ist es, die mich besonders fesseln konnte.

Meyerhoff erzählt in Episoden von den Menschen, die in seinem Leben wichtig waren und es noch heute sind. Von den Frauen und seinen Kindern und davon, wie die Beziehungen sich im Laufe der Zeit verändert haben. Das Gefühl, der Stillstand, den der Schlaganfall mit sich zieht, wäre zumindest emotional ein Katalysator zur Reflektion und Selbstreflektion, drängt sich auf.

Meyerhoff ist ein begnadeter Erzähler, ein Wortakrobat und Sätze-Zauberer. Ein Buch, welches man langsam und bedächtig genießen sollte. Es hat einiges an Nährwert zu bieten.