Rezension

Ein Lesehighlight 2021

Die Katzen von Shinjuku -

Die Katzen von Shinjuku
von Durian Sukegawa

Bewertet mit 5 Sternen

Seita Yamazaki ist ein Fernsehautor ohne Reputation, seine Wohnung gleicht einem Loch. Sein Lebensmut schwindet, er kommt sich nutzlos vor, weiß nicht, wohin er sich entwickeln kann. Dabei würde er gern Drehbücher schreiben für Film oder Theater. Den Tipp eines früheren Lehrers, während des Studiums die Kneipen von Golden Gai aufzusuchen, im Hinterkopf begibt er sich genau dorthin. Im Karinka, einem schlauchähnlichen Lokal, lernt er eine illustre Gruppe kennen. Von Dragqueen, Muskelmann und Rocker sind diverseste Charaktere vertreten. Mitten in dem bunten Haufen arbeitet Yume. Die schüchterne junge Dame steht am Grill, serviert Yakitori-Spieße und Hoppy, scheint Schiedsrichterin beim Miau-Jong, einer Katzenwette zu sein.

Vor diesem Hintergrund breitet Durian Sukegawa mit Witz und Charme die Probleme der Tokioer Gesellschaft aus. In der japanische Leistungsgesellschaft ist kein Platz für Menschen mit Einschränkungen, seien sie auch noch so geringfügig. Zudem wird ein unmenschliches Arbeitspensum verlangt, zwangsläufiges Scheitern ist die Basis für zusätzliches Bossing. Frauen können schnell in eine Unterdrückungssituation geraten. Der Autor bearbeitet allerdings nicht nur diese schweren Themen, sondern lässt die Geschichte von einer zarten Verliebtheit begleiten.

Sukegawa‘s Schreibstil ist eher nüchtern. Kurze, einfache Sätze schaffen Klarheit. Es gibt aber auch ganz wundervolle Formulierungen, wie zu Beginn auf Seite 6: „Es war das Ankämpfen gegen einen Lachanfall, als hüpften warme Bällchen in meinem Inneren.“ Solcher Wortwahl bin ich noch nie begegnet, trotzdem ist der Sachverhalt bzw. das Gefühl auf lautmalerische Weise sofort klar. Darüber hinaus reichert der Autor seinen Text mit einer Reihe von Gedichten an. Aus dieser Kombination aus überwiegend verkürzten Text und Gedichten entsteht für mich eine zarte, kunstvolle Poesie.

Ein Highlight wird dieser Roman für mich, weil auf faszinierende Art und Weise Haupt- und Nebengeschichte ineinandergreifen, ohne dass beschwerliche Komplexität notwendig wäre. Die Bedeutung der Katzen, zu der ich nichts weiter ausführen kann ohne zu spoilern, wird so feinsinnig herausgearbeitet, dass auch „Hundetypen“ wie ich, sehr geschmeidig in dieser Katzenwelt unterwegs sein können. Darüber hinaus wechseln sich eher stille Phasen im Roman mit Überraschungsmomenten ab, wodurch zu keinem Zeitpunkt Längen entstehen. So hat mir dieser Roman angefangen vom umschlagsfreien Cover mit der glänzenden, eleganten Katze auf wellengemusterten Grund von Seite zu Seite immer besser gefallen, so dass ich ihn ab der Mitte gar nicht mehr aus der Hand legen wollte.

Ganz klare Leseempfehlung.