Rezension

Ein Lesehighlight! Brillant erzählter historischer Roman zu Zeiten des Kalten Krieges!

Kinder ihrer Zeit - Claire Winter

Kinder ihrer Zeit
von Claire Winter

Bewertet mit 5 Sternen

565 Seiten pures Lesevergnügen! Eine spannende Familiengeschichte wird hier perfekt in das Zeitgeschehen des Kalten Krieges, den Machenschaften der Geheimdienste und des Mauerbaus in Berlin eingebunden und entwickelt sich zum Ende hin auch noch zu einem packenden Thriller. Hier wurde definitiv ein Meisterwerk erschaffen!

Für Rosa bricht eine Welt zusammen, als sie mit ihren 11-jährigen Zwillingen Emma und Alice vor dem russischen Heer aus Ostpreußen fliehen muss und dabei eins ihrer Kinder verliert. Das Dorf, in dem sie kurzfristig Unterschlupf gefunden hatten, wurde von Soldaten überrannt, als sie gerade mit Emma auf Nahrungssuche war. Alice ist trotz intensiver Suche unauffindbar und sie müssen schweren Herzens den Weg alleine fortsetzen. Ihr neues Leben beginnt in West-Berlin, dass am Anfang geprägt ist durch Entbehrungen, Ressentiments und großen Kraftanstrengungen. Emma konnte nie an den Tod ihrer Schwester glauben und zwölf Jahre später stehen sie sich plötzlich gegenüber. Bei einem ihrer Treffen im Osten der Stadt lernt sie durch Alice den Physiker Julius Laakmann kennen und der Sympathiefunke springt sofort zwischen ihnen über und tiefe Gefühle verbinden sie mit der Zeit. Im Vertrauen erfährt sie von ihm, dass er sich durch den  Geheimdienst beobachtet fühlt, da er die Entführung seines Freundes Dr. Haushofer miterlebt hat, der in den Westen geflohen ist. Emma ist am Boden zerstört, als Julius plötzlich den Kontakt mit ihr abbricht und Alice auf einmal spurlos verschwunden ist. Sie sucht im Osten nach ihnen und ein Wettlauf mit der Zeit beginnt für sie, da die drohende Schließung der Grenze in Berlin ansteht.

Was für ein außerordentlich gelungener Roman! Claire Winter hat mich von der ersten bis zur letzten Seite dermaßen gefesselt und wie im Sog durch das Buch suchten lassen. Ihr leicht zu lesender und mitreißender Erzählstil, ihre ausdrucksstarken Charaktere, mit denen man mitfühlt und die intensive Emotionen bei einem erzeugen, sowie der tolle Aufbau der Geschichte, der 9 Teile umfasst, die einen stetig steigenden Spannungsbogen beinhalten, geben einem das Gefühl einen Kinofilm zu erleben. Von der  Flucht an geht es über den Neuanfang, Getrennte Leben, Wiedersehen, Entscheidungen, Konsequenzen, Lügen, Fremdes Leben bis hin zu Zusammen getrennt und man  fiebert immerwährend auf einen guten Ausgang der Geschichte für Emma und Alice hin. Ihre schicksalhaften Lebenswege hätten nicht unterschiedlicher sein können. Emma wächst wohlbehütet bei ihrer Mutter im freien Deutschland auf und eine ganze Zeit lang fragt  man sich, was ist aus Alice geworden? Sie hat das Glück, dass ein einflussreicher Beschützer die Hand über sie hält. An ihrem und an Julius Leben wird hier sehr gut dargestellt, was es bedeutet in einem sozialistisch geführten Staat aufzuwachsen und dort von Menschen ideologisch geleitet und unter Druck gesetzt zu werden. Auf welche Weise dies bei ihnen geschieht und zu was für Handlungen sie gezwungen werden, war  ganz schön bedrückend. Ihre Meinung zum System ändert sich durch ihre Westkontakte im Fortlauf der Geschichte und sie spüren die daraus resultierenden Auswirkungen. Eine ahnungs- und unheilvolle Spannung kommt dabei auf und das Lesetempo hat sich bei mir noch weiter erhöht. Der Showdown am Schluss war vom Feinsten und hat noch einmal für richtiges Herzklopfen gesorgt.

Überaus gut dargestellte und glaubhafte Charaktere hat Claire Winter für ihren Roman erschaffen. Der KGB Mann Markow und das frühere SS Mitglied Rittmeister haben mich unheimlich getriggert und waren mir durchweg unsympathisch. Emma hat mir durch ihre Fürsorge für ihre Mutter, ihre Hilfsbereitschaft, Unerschrockenheit und ihre Intelligenz sehr gut gefallen. Ihre Liebe zu Julius wird auf eine harte Probe gestellt und ich habe so mit ihr mitgefühlt. Alice Kindheit, die Fürsorge durch Sergej und die stetige Beobachtung durch Markov fand ich berührend und bedrückend. Es hat mich erschreckt, wie lange sie noch hinter den Idealen des Sozialismus gestanden und sich gezwungenermaßen nicht dagegen gewehrt hat. Als beide Schwestern aufeinandertreffen hatte ich einen richtigen Kloß im Hals. Doch noch weitere überaus spannende Charaktere haben die Geschichte bereichert. Julian steht als Wissenschaftler im Osten gut dar und weiß die Herzen der Frauen durch sein attraktives Äußeres und seinen Charme zu erobern. Seine Liebe zu Emma stellt sein Leben auf den Kopf und die ganze Zeit ist man am Hoffen, dass sie eine gemeinsame Zukunft haben können. Auch Max, Emmas Freund von Kindesbeinen an, hat mir unheimlich gut gefallen. Er mausert sich von einem schüchternen Jungen zu einem selbstbewussten Mann, der sich für die Freiheit der Menschen einsetzt und im Laufe der Geschichte einen wichtigen Part im Leben von Emma, Alice und Julian einnimmt.

Mein Fazit:

Claire Winter hat mich mit „Kinder ihrer Zeit“ auf ganzer Linie überzeugt und ich kann für diesen brillanten Roman nur eine unbedingte Leseempfehlung aussprechen! Für dieses Buch hätte ich sehr gerne noch mehr als 5 Sterne vergeben!