Rezension

Ein Lieblingsbuch, das nie verglüht

Unverglüht - Jona Mondlicht

Unverglüht
von Jona Mondlicht

Bewertet mit 5 Sternen

"Unverglüht" erzählt auf sehr poetische Weise die Geschichte einer SM-Beziehung. Ruhig, unspektakulär, aber tief- und nahegehend. Geschichten wie Märchen aus tausendundeiner Nacht und trotzdem ohne die üblichen Klischees.

Der Roman "Unverglüht" wurde bereits 2014 veröffentlicht. Ich habe ihn eigentlich erst viel zu spät entdeckt. Eher zufällig.
 
Worum geht es:
Sarah ist eine junge Frau, die mitten im Leben steht. Denkt sie. Aber eigentlich befindet sie sich erst ganz am Anfang eines langen Weges, von dem sie noch nichteinmal weiß, dass er beginnt, als sie eine Ledermanufaktur betritt. Eigentlich möchte sie dort nur einen Gürtel kaufen. Aber weil ihre Schuhe vom Schnee der Straße durchnässt sind, bietet ihr der Ladeninhaber an, zu verweilen. Ein eigentümlicher Kauz ist er, dieser Herr Conrad, meint man zunächst. Aber er entpuppt sich zu einem brillianten und geschickten Geschichtenerzähler, dem sich Sarah nicht mehr entziehen kann.
Zunehmend aufgeregt lauscht sie seinen Geschichten, die alle miteinander verwoben scheinen. Sie handeln von einer wunderbaren Beziehung zwischen zwei Menschen, von sexueller Zuneigung, Abhängigkeit, Unterwerfung. Sarah bemerkt, dass in ihr die gleiche Neigung wohnt. Genauso, wie Herr Conrad das spürt. Denn er erzählt ihr seine Geschichten nicht ohne Grund. Sie lernt in den Erzählungen Bruno und Lia kennen, zwei Menschen, die tatsächlich existieren und denen sie fortan mehr verbunden sein wird als je zuvor einem anderen. Das aber erkennt sie erst spät. Vielleicht zu spät?
 
Das Cover:
Das Cover zeigt den Rücken einer Frau mit Korsettschnürung. Der verschnörkelte Schriftzug für den Titel ist sicher dem geschuldet, dass der Roman genauso romantisch wie erotisch ist. Legt man das Buch nach dem Lesen beiseite, stellt man fest: Ja, das passt.
 
Mein Fazit:
Der Roman erzählt auf eine unbeschreiblich poetische Weise die Geschichte einer SM-Beziehung. Ruhig, unspektakulär, aber unendlich tief- und nahegehend. Folgerichtig las ich kaum Sexszenen, oder gar keine? So genau findet sich keine Trennlinie, und das ist es, was das Buch für mich so lesenswert macht: Die Geschichten brauchen keinen Lärm, um zu funktionieren und zu wirken. Ich fühlte mich irgendwo gut beschützt und aufgehoben zwischen den Genres Erotik, Romantisch und Spannung.
Der Roman wirkte wie ein perfekt inszeniertes Kammerstück auf mich, dessen Handlung in einem einzigen Raum stattfindet. So detailliert aufgebaut, dass ich mich mittendrin fühlte. Manchmal blieb ich sprach - und atemlos zurück, wenn Lia und Bruno sich begegneten. Wie Märchen aus tausendundeiner Nacht schienen die Szenen mit der Korsettschnürung oder die Begegnung von Lia und Bruno an einem Leuchtturm. Und doch so verflucht authentisch, als sei man dabeigewesen.
Es fehlen sämtliche Klischees, die mich in anderen Erotikromanen nerven. Es gibt keinen Millionär, kein kleines Dummchen, keine Schwarz-Weiß-Figuren. Stattdessen Lia und Bruno, zwei auf Augenhöhe interagierende Protagonisten. Deswegen wirkt die Handlung viel glaubhafter, ehrlicher, natürlicher. Erst nach dem Lesen habe ich erfahren, dass der Roman teilweise tatsächlichen Begebenheiten zugrunde liegt. Das erklärt es vielleicht. Es gibt keine Ecken und Kanten in der Handlung, die unrealistisch wären.
Die Handlung ist wenig kompliziert, auch wenn sich die vom Ladeninhaber erzählten Geschichten mit der eigentlichen Handlung vermengen. Trotzdem scheint alles an einem Strang abzulaufen. Genau diese Geradlinigkeit hat mir gefallen.
Es fiel mir schwer, den Roman aus der Hand zu legen. Da sind nämlich nicht nur die einzelnen Geschichten, sondern auch die Fragen, warum Herr Conrad sie erzählt, warum ausgerechnet diese und ob es letztendlich einen Punkt gibt, an dem alles zusammenläuft. Wie ein großes Puzzle habe ich das empfunden und es hat Spaß gemacht, immer mehr Teile aufzuspüren. Das gelingt sogar beim zweiten Lesen wieder.
Erwähnen möchte ich das sprachliche Niveau des Romans. Manche Textstellen las ich mehrfach, weil es mir Vergnügen bereitete und weil sich mit jedem Lesen neue Details ergaben. Egal, aus welcher Richtung man die Geschichten betrachtet, sie schillern immer anders.
Meine Kritik gilt der (aus meiner fachlich bescheidenenen Sicht) zu klein gewählten Schriftgröße im Buch. Auf dem Sofa zuhause geht sie in Ordnung, aber wenn man unterwegs liest, kann man schon mal in der Zeile verrutschen. Gefallen hat mir dagegen, dass sich Handlung und erzählte Geschichten ganz einfach über unterschiedliche Schritarten erkennen ließen. Auch wenn der Setzer einmal geschlafen hat, wie mir scheint. ;-)
 
Zielgruppe:
Ich empfehle den Roman zunächst einmal allen, die das Thema SM für sich entdecken wollen oder tatsächlich so leben. Dann allen, die romantische Liebesgeschichten mögen, sich gemütlich zurücklehnend lesen und vielleicht auch mal eine Träne verdrücken wollen. Die Einordnung von "Unverglüht" im Genre Erotik halte ich für passend, aber nicht ganz entsprechend. Denn wer einfach nur richtig gut geschriebene Geschichten mag, ist hier genausogut aufgehoben.
Wer auf flache Sexszenen und übliche SM-Klischees hofft, greift bei diesem Roman jedenfalls komplett daneben.

Happy End:
Ich mag Bücher mit großartigem Happy End. "Unverglüht" hat auch eines, aber (ohne zu viel verraten zu wollen): es ist ein ganz spezielles Happy End. Man muss damit umgehen können. So, wie mit dem gesamten Roman. Denn er klingt noch lange, lange nach dem Lesen nach. Wer ihn gelesen hat, wird mir Recht geben.
 
Ich habe diese Webseiten zum Buch gefunden:
http://www.jonamondlicht.de
http://www.unverglueht.de