Rezension

Ein literarischer Geniestreich

Morgen, morgen und wieder morgen -

Morgen, morgen und wieder morgen
von Gabrielle Zevin

Bewertet mit 5 Sternen

Aufgrund des quietschbunten Covers wollte ich diesen Roman eigentlich gar nicht lesen. Ich habe diese Mischung aus sich gerade brechender Riesenwelle und Weltraumnebel als abschreckend empfunden. Als plötzlich das Buch überall auftauchte, fing ich an, mich damit zu beschäftigen, fand Gaming als Gemeinsamkeit mit den Charakteren und fing schließlich an, es zu lesen. 

Ich kann nur konstatieren: Es hat sich wirklich, wirklich und nochmals wirklich gelohnt. Gabrielle Zevin ist eine wahre Künstlerin. Mit gut verständlichen, gleichzeitig ganz wunderbaren Formulierungen schafft sie eine Atmosphäre von in Liebe ausufernder Freundschaft. Dabei bringt sie die Gefühlswelt ihrer Protagonist:innen ebenso auf den Punkt wie die Entstehung eines Computerspiels von der ersten Idee bis zum letzten Testzyklus. Die Autorin zieht ihre Leserschaft in die Geschichte hinein, macht sie zu Komplizen des Geschehens. Das Gelesene fühlt sich an, als wäre man mit im Raum, Teil der Welt, die sie beschreibt. 

Dabei stattet Gabrielle Zevin ihre Welt mit kleinen liebevollen, scheinbar unwichtigen Details aus, auf die sie dann hunderte Seiten später wieder zurückgreift, nur um an eine frühere Erzählung nochmals mit inzwischen erweitertem Wissen anzuknüpfen. Dadurch bekommt der Roman eine Tiefe, die ich  unheimlich gern mochte. Zudem liebe ich die Anlage der Charaktere, von denen ich nur einen einzigen gar nicht mochte. Beginnend mit den liebevollen Großeltern der beiden Hauptfiguren wird ein ganz besonderes Beziehungsgeflecht aufgebaut. Niemals urteilend, stattdessen immer mit weisen Anekdoten unterstützend begleiten sie Sam, den Mathematikstudent, und seine Kindheitsfreundin Sadie, angehende Informatikerin, ins Leben.

Ich bewundere Sadie, weil sie so coole Dinge kann, wie eine Grafik-Engine programmieren. Sie besteht in der von Männern dominierten Welt der Spielebranche für Computer und Konsolen. Als Gamerin und als Entwicklerin muss sie eine Menge Gegenwind aushalten, auch wenn dies manchmal fast nicht möglich erscheint. Sam ist der typische Underdog, der lange braucht, um über sich hinaus zu wachsen. Den kindlichen Sam habe ich direkt lieb gewonnen. Daran änderte sich auch nichts, als er berufliche wie zwischenmenschliche Chancen verstolpert, weil ihm hier und da die notwendige Sensibilität fehlt.

Letztlich bin ich glücklich, mich auf diesen Roman eingelassen zu haben. Der Roman war das erste Lese-Highlight in diesem Jahr. Sehr gern empfehle ich die Lektüre.