Rezension

Ein Loblied auf die Dorfgemeinschaft

Der Wal und das Ende der Welt - John Ironmonger

Der Wal und das Ende der Welt
von John Ironmonger

Bewertet mit 3 Sternen

Wir leben in einer Welt voller Abhängigkeiten: Fällt ein Teil aus und es läuft gut, wird und muss es umgehend durch ein anderes ersetzt werden. Im Normalfall klappt das auch reibungslos, doch gelingt dies nicht, können die Konsequenzen entsetzlich sein.
St. Piran, ein winziges Dorf in Cornwall. Dort wird ein lebloser junger Mann am Strand gefunden, der von den DorfbewohnerInnen wieder aufgepäppelt wird. Es ist der junge Joe Haak, der Analyst bei einer Bank war. Sein Job war es, Abhängigkeiten in der Welt zu erkennen und bei Veränderungen Prognosen anzufertigen. Er war gut darin, so gut, dass er gemeinsam mit KollegInnen ein Programm erstellte, das zahllose Abhängigkeiten überwacht und damit für ein paar Tage die Zukunft vorhersagen kann. Als die Prognosen seines Programms jedoch nicht zu stimmen scheinen, flüchtet er nach St. Piran, weil er glaubt, dass alle in den Ruin getrieben worden sind. Zuvor hatte er noch im Auftrag seines obersten Chefs einige Szenarien durchgespielt, um festzustellen, in welchen Fällen es zum Kollaps kommen könnte, und der Gedanke daran lässt ihn nicht in Ruhe. So ergreift er nach seiner Rettung am Strand Vorsorgemassnahmen - für das gesamte Dorf.
Wer eine Neigung verspürt, sich angstvoll Weltuntergangsszenarien hinzugeben, dürfte mit dieser Lektüre seine Ängste wahrscheinlich noch etwas vergrössern. Auch wenn der Grundtenor optimistisch stimmt, sind die Überlegungen des Protagonisten hinsichtlich eines Totalzusammenbruchs der Zivilisation nicht von der Hand zu weisen. Mehrfach wird dargestellt, wie wenig es eigentlich dazu braucht, dass unsere scheinbar so sichere Welt in Trümmer zerfällt. Ein, zwei Tage ohne Strom und schon versiegt der Nachschub an frischen Lebensmitteln, einige Tage mehr und auch haltbare Nahrungsgüter gehen zur Neige. Alles was mit Strom betrieben wird, fällt aus: kein Wasser, keine Heizung, kein Sprit, kein Licht. Und der Kampf ums Überleben beginnt. So in etwa ist die Vorstellung von Joe Haak und dennoch hofft er, dass er mit seinen Vorsorgemassnahmen in St. Piran das Schlimmste verhindern kann.
Auch wenn das Buch sehr hoffnungsvoll und zuversichtlich auf das Überleben der Menschheit blickt, fand ich es dennoch nicht allzu überzeugend. Zu positiv sind all die BewohnerInnen des kleinen Dorfes St. Piran beschrieben, nicht ein Mensch ist darunter, der gegen die Gemeinschaft handelt (wenn, dann kommt er von aussen, wie eh alles Schlechte). Und selbst wenn es in diesem kleinen Ort funktioniert, was ist mit den Grossstädten? Dort, wo Selbstversorgung praktisch nicht möglich ist und Hunger und Not viel viel früher eintreten?
So ist es eine gut geschriebene, nette, unterhaltsame und gefühlvolle Geschichte, die ein Loblied auf die dörfliche Gemeinschaft und deren Zusammenhalt anstimmt. Während das eigentliche Thema (Der Mensch ist des Menschen Wolf - oder nicht?) bedauerlicherweise nur oberflächlich gestreift wird.