Rezension

Ein Märchen von Grausamkeit und Tod

Das Labyrinth des Fauns
von Cornelia Funke Guillermo Del Toro

„Das Labyrinth des Fauns“ ist Cornelia Funkes literarische Version von Guillermo del Toros Film „Pan‘s Labyrinth“, in dem die Geschichte von Ofelia, einem dreizehnjährigen Mädchen, sowie einer Gruppe spanischer Rebellen und dem gegnerischen General erzählt wird. Dieser wurde in einen entlegenen Wald versetzt, aus dem er die Rebellen verscheuchen soll. Er lässt seine hochschwangere Frau und seine Stieftochter, Ofelia, zu sich bringen. An diesem düsteren Ort findet Ofelia Trost in der Begegnung mit einem Faun, der behauptet, sie sei eine Prinzessin, wenn sie drei Aufgaben erfüllen kann.

 

Ich liebe die Bücher von Cornelia Funke und bin mit ihnen aufgewachsen. Ihre magischen und fantasievollen Geschichten haben mich immer wieder aufs Neue fasziniert und begeistert, weshalb ich ganz gespannt auf dieses Buch war. Nach Lesen des Klappentextes hatte ich auf einen verzauberten Wald, knifflige Aufgaben und viel Magie gehofft. Dabei sei noch anzumerken, dass ich noch nie von dem Film gehört und keine Ahnung von dessen Inhalt hatte. Ja, ich lebe offensichtlich hinter dem Mond.

 

Anstatt Magie bekam ich Grausamkeit, anstatt kniffliger Aufgaben einen brutalen Kampf zwischen zwei Kriegsparteien, dessen Hintergründe nicht näher erläutert werden. Wissen um die spanische Geschichte wird vorausgesetzt. Hoffnung sucht man vergebens in diesem Buch, es ist düster, grausam, brutal. Nicht einmal die Feen sind niedlich, sondern werden als insektenartige Wesen beschrieben, es wirkt, als kämen die Kreaturen alle eher aus der Hölle als aus einem Zauberwald.

 

Die Geschichte hat mich ziemlich verstört und schockiert zurückgelassen, weshalb ich mich mal über den Film erkundigt und dessen Zusammenfassung gelesen habe. Diese liest sich wie die Zusammenfassung des Buches. Also kann man Frau Funke den Inhalt nicht zum Vorwurf machen.

 

Im Gegenteil hat sie die Hauptgeschichte mit kleinen Geschichten ausgebaut, die alle zwei bis drei Kapitel eingeflochten wurden und auf wirklich geschickte Weise miteinander verknüpft waren und eine Art Hintergrundgeschichte zur magischen Seite des Buches lieferten. Das fand ich wirklich super gemacht.

 

Genauso toll fand ich den detailreichen Erzählstil, der für ein sehr bildliches Kopfkino gesorgt hat. Es wird aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben, sodass man Einblicke in das Leben von Personen auf jeder „Seite“ bekommt. Die Übergänge sind dabei fließend und fantastisch gewählt. Die Erzählweise hat mich an die von Märchen erinnert und sich trotz der bildlichen Beschreibungen von Gefühlen distanziert angefühlt. Das war in dem Sinne gut, als dass mich die Grausamkeit nicht mit voller Wucht getroffen hat. Allerdings hat es auch dafür gesorgt, dass mir die Charaktere nicht sonderlich wichtig waren und ich mich auch innerlich distanziert habe.

 

Die Figuren und Geschichte sind ziemlich schwarz weiß, es gibt die Guten und die Bösen, aber alle sind gleich brutal und dazwischen wandelt die dreizehnjährige Ofelia. Aufgrund der Beschreibungen von ihr und ihrem Verhalten hätte ich sie jedoch viel jünger eingeschätzt, wahrscheinlich nicht einmal neun Jahre alt. Denn gerade zu der Zeit waren die Leute schon früher reifer, einfach weil sie mussten. Von meiner Oma weiß ich beispielsweise, dass sie bereits mit vierzehn ihre Ausbildung begann und Ofelia liest nur Bücher und scheint auch keine Ahnung von Schwangerschaften und anderen „Erwachsenendingen“ zu haben. Da haben Alter und Verhalten für mich so gar nicht zueinander gepasst.

 

Das Buch lässt mich wirklich hin und her gerissen zurück und hat mich mehr als einmal schockiert. Es ist auf keinen Fall ein Kinderbuch, sondern aufgrund der Brutalität eher für eine ältere Leserschaft geeignet, was sich mit dem kindlichen Cover und märchenhaften Erzählweise beißt. Es ist ein Buch, das in mir viele widersprüchliche Gefühle hervorruft.

Inhaltlich war ich nicht ganz so begeistert, einfach weil es mir zu brutal und hoffnungslos war, was vermutlich gut zur damaligen Zeit passt, für mich jedoch nichts mit einem magischen Labyrinth zu tun hat. Aber schriftstellerisch ist es wirklich toll und ein Genuss zu lesen. Es ist ein düsteres Märchen, das zur Hälfte über die kämpfenden Kriegsparteien berichtet und zur Hälfte über Ofelias persönliches Drama mit einem Hauch Magie. Das Buch ist nicht das, was ich aufgrund von Cover und Klappentext erwartet hatte, aber die Geschichte hat mich trotz allem gepackt und lange nicht mehr losgelassen.

 

Vielen Dank an NetGalley und den Fischer Verlag für die Bereitstellung des Leseexemplars, was jedoch keinen Einfluss auf meine Meinung hat