Rezension

Ein Meisterwerk

Die Saat der Bestie - Michael Dissieux

Die Saat der Bestie
von Michael Dissieux

Bewertet mit 5 Sternen

Als vermeintlich letzter Mensch auf Erden entwickelt Davids Psyche ein Eigenleben. Die Einsamkeit in einer verwüsteten, leeren Welt hat ihre Spuren in Davids Psyche hinterlassen. Immer mehr wird der einst so bodenständige Mann zum Opfer seiner schizophrenen Psychose und das Tier in ihm wird lebendig. Frank ist Davids dunkle Seite. Er ist ein wildes Tier, das nur ein einziges Ziel hat: Er will die Kontrolle über David und er will seine animalischen Triebe ausleben.
Als Samantha in Davids Stadt kommt, um nach ihrer Schwester zu suchen, ist Frank kaum noch zu bändigen. Er will sich austoben – an Samantha.

Seit der Veröffentlichung von “Graues Land” und “Graues Land – Die Schreie der Toten” bin ich dem Stoff von Michael Dissieux hoffnungslos verfallen. Denn dieser Autor kann etwas, was nur sehr wenige können. Er kann mich als sturen Action-Fan mit ziemlich wenig Action begeistern.

So ein Werk ist ein eher seltenes Schätzchen auf dem Buchmarkt. “Die Saat der Bestie” lebt von der meisterhaft geschaffenen Atmosphäre und den fein ausgearbeiteten Charakteren.
Mit viel Gefühl und einem Schreibstil, der an Eindringlichkeit schwer zu überbieten ist, verliert man sich als Leser in einer verlorenen, verlassenen und düsteren Welt, deren emotionale Dunkelheit fast greifbar ist. Dazu bedient Herr Dissieux sich einer bildhaften Sprache, die im Kopf des Lesers einen imaginären Film zum Laufen bringt.
Die eine oder andere Metapher hätte er sich evtl. verkneifen können, denn insgesamt legt sich die Erde ein paar Mal zu oft zum Sterben nieder. Das ist aber auch die einzige Sache, die ich bemängeln würde, wobei es mir selbst fast dreist erscheint, an diesem Hammer-Werk überhaupt etwas zu bemängeln.

Der Roman kommt insgesamt mit nur wenigen Personen aus. Mit ihrer Einzigartigkeit und der intensiven Gestaltung nehmen sie mehr Raum ein, als es so mancher Plot mit zig Handlungssträngen jemals könnte. Samantha ist sowohl stark als auch verletzlich. Man würde ihr alles und nichts zutrauen. David, der sich eine Existenz mit Frank teilt, verschwindet durch das dominante Tier in ihm etwas im Hintergrund, was aber völlig in Ordnung ist, weil der Leser nur von Frank das bekommen kann, was er erwartet.

Im Gegensatz zu seinen ersten beiden Romanen gibt Michael Dissieux sprachlich und inhaltlich etwas mehr Gas, wenn der geneigte Horrorfan versteht, was ich meine. So wurde ich etwas später im Roman mit deutlich schärferen Dialogen und einigen recht harten Szenen überrascht, die ich so bisher von diesem Autor noch nicht kannte. Das sorgt im letzten Drittel der Lektüre für einen zusätzlichen Kick, der dafür sorgt, dass man den Roman endgültig nicht mehr an die Seite legen kann. Und obwohl die Geschichte dem Leser schlussendlich noch einige Antworten schuldet, ist das Gesamtwerk insgesamt rund und stimmig.

Zuletzt muss ich unbedingt noch erwähnen, dass der LUZIFER Verlag sich mit der Covergestaltung (Timo Kümmel, wie immer ein endgeiles Cover!) und der Buchqualität an sich mal wieder selbst übertroffen hat. Abgesehen vom extrem stabilen Einband, hat das Buch eine Oberflächenbeschaffenheit, die mir so noch nie begegnet ist. Die matte und gleichzeitig glatte Oberfläche fühlt sich weich und irgendwie samtig an, so als würde man über ein seidenes Kleidungsstück streichen. Es ist schwer zu erklären. Am besten kaufen und selber lesen und fühlen.

Fazit:
“Die Saat der Bestie” ist für mich eines der Highlights des Jahres 2013. Mit einer mehr als gelungenen Mischung aus Unterhaltung und Schreibkunst wurde eine rabenschwarze postapokalyptische Stimmung erschaffen, die für einen intensiven Nachhall sorgt. Solche Bücher haben mich dazu gebracht, jedem davon erzählen zu wollen. Chapeau, Herr Dissieux!