Rezension

Ein mitreißend erzählter Familien- und Generationenroman der mit nostalgischem Charme besticht.

Die Nähmaschine - Natalie Fergie

Die Nähmaschine
von Natalie Fergie

1911, Clydebank, Schottland. In der Singer-Nähmaschinenfabrik streiken die Arbeiter- und Arbeiterinnen, darunter auch die junge Jean und ihr Verlobter Donald, der sich in der Gewerkschaft engagiert. Die Firma reagiert mit Härte gegen die Rädelsführer der Gewerkschaft und so verliert Donald seine Arbeit. Für das junge Paar ist die Situation in Clydebank aussichtslos. Jean hinterlässt vor ihrem Aufbruch in ein neues Leben eine Botschaft in einer Fadenspule. 2016, Edinburgh, Schottland. Fred erhält nach dem Tod seines Großvaters seine Wohnung vererbt und entdeckt im Nachlass seiner Großeltern eine alte Singer 99K. In der Nähmaschine sind Notizbücher versteckt, in denen penibel alle mit dieser Maschine Arbeiten von seiner Großmutter und Urgroßmutter festgehalten wurden. Die Bücher geben wie kleine Zeitkapseln über die Geschichte und das Leben der Frauen Aufschluss.

Seitdem ich die wunderschönen gestalteten Bücher, mit dem für sie typischen Leinenrücken, aus dem Wunderraum Verlag für mich entdeckt habe, bin ich ein großer Fan der bezaubernden Geschichten geworden, die sich zwischen diesen schönen Buchdeckeln verbergen. Natalie Fergies Debütroman “Die Nähmaschine” ist eine solch hinreißende Story, in der die Lebensgeschichten und das Schicksal verschiedener Persönlichkeiten und Familien aus unterschiedlichen Jahrhunderten, um eine Singer 99K Nähmaschine geflochten werden. Das Cover passt hervorragend zur Story und durch die leicht erhobene Naht entsteht der Eindruck von genähtem Stoff, abschließend sorgt der Leinenrücken für eine tolle Haptik. Das alles macht das Buch zu einer ganz besonders schönen Perle im Regal.

Die Geschichte beginnt mit der Produktion der Singer Nähmaschine um 1911 in der Fabrik des Herstellers. Dort arbeitet die 18-jährige Jean in der Produktionskontrolle und ihr Verlobter Donald Cameron in der Gießerei. Als es zu Massenstreiks kommt, steht Donald ganz vorne in der Gewerkschaft, um die Forderungen der Arbeiterinnen und Arbeiter durchzusetzen. Die Streiks verändern die Zukunftsaussichten des jungen Paares vollkommen und schon bald sehen sie sich gezwungen ihre Heimatstadt zu verlassen, um ihr Glück in Edinburgh zu suchen. An ihrem letzten Arbeitstag hinterlässt Jean eine Botschaft in einer Spule.

Parallel dazu spinnt die Autorin noch zwei weitere Handlungsstränge, einer davon spielt in den 1950er Jahren und dreht sich um die Lebensgeschichte von Connie und ihrer Familie, der andere lässt den Leser in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts, in die Geschichte von Fred, eintauchen. Abwechselnd bekommt man einen berührenden Einblick in die unterschiedlichen Familienverhältnisse, Sorgen, Ängste und Nöte der Protagonisten. Dabei verknüpft Natalie Fergie die Zeitsprünge so gekonnt, dass der schnelle Wechsel überhaupt kein Problem darstellt. Als zentraler Punkt, bei dem die einzelnen Fäden zusammenlaufen, fungiert die schottische Hauptstadt Edinburgh.

Ich persönlich empfand die Geschichte von Jean als die reizvollste der drei dargebotenen Stränge, da sie mit einer gewissen Nüchternheit tiefgründige Emotionen heraufbeschwört und mit den Schicksalsschlägen und der Distanzierung zu ihrem Vater die nötige Dramaturgie mitbringt. Gegen diese mitreißende Erzählung konnten es die Geschichte um Connie und ihre Mutter Kathleen nicht aufnehmen. Hier zeichnet Natalie Fergie ein häusliches Bild zur Zeit der 1950er Jahre. Während Kathleen sich mit Näharbeiten an der Singer 99K etwas dazuverdient bewirbt sich Connie als Näherin im Krankenhaus.

Zuletzt wäre dann da noch die Story über Fred, dessen Karriere und Beziehung gescheitert sind und der sich nun in der Wohnung seiner Großeltern ein neues Leben aufbaut. Als Fred den Nachlass seiner Großeltern begutachtet fällt ihm eine alte Singer Nähmaschine in die Hände, in der er auf Notizbücher der Besitzerinnen stößt. Somit fungiert er als Bindeglied zwischen den Geschichten. Nach und nach dröseln sich die Zusammenhänge auf und ergeben ein stimmiges Gesamtbild und auch für Fred wird endlich klar, was für ihn im Leben wirklich zählt.