Rezension

Ein mitreißender Thriller

In den Straßen die Wut - Ryan Gattis

In den Straßen die Wut
von Ryan Gattis

Bewertet mit 3.5 Sternen

So, wie man den Blick von diesem Schrecken nicht abwenden kann, kann man auch das Buch kaum aus der Hand legen. In den Straßen die Wut ist ein mitreißender Thriller, der den Leser tief in das Grauen der schweren Unruhen in Los Angeles 1992 hineinzieht.

„Hat sich die Lage in Watts seit den letzten Aufständen nicht verbessert?“ Unweigerlich denkt man bei dieser Frage an die Ausschreitungen der vergangenen Jahre in den USA, oftmals ausgelöst durch willkürlich erscheinende Morde weißer Polizisten an schwarzen US-Bürgern. Der amerikanische Ort, an dem dies stattgefunden hat, ist eigentlich beliebig austauschbar. Die Frage bleibt dabei stets die gleiche – und häufig leider auch die Antwort: „Irgendwie hat sich nicht viel verändert. Man findet dort immer noch die Besitzlosen, die Verlierer, die Verbrecher, die Verzweifelten […].“ Mit diesem Zitat aus der New York Times beginnt Ryan Gattis seinen Thriller In den Straßen die Wut, der die sechs Tage andauernden schweren Unruhen in Los Angeles 1992 erzählt, die ausgelöst wurden durch einen Freispruch für mehrere Polizeibeamte, nachdem sie den Bürger Rodney King durch „übertriebene Gewaltanwendung“ überwältigten. Das Besondere: Das Zitat beschreibt nicht den Bürgerkrieg von 1992, sondern stammt von 1966. Es zeigt, es hat sich wirklich nicht viel verändert in der amerikanischen Gesellschaft, weder nach 1966, noch nach 1992, noch nach den letzten Ausschreitungen aufgrund von Polizeiwillkür in den USA. Deshalb ist Gattis‘ Roman zugleich ein (teilfiktives) Zeugnis der damaligen Situation, als auch eine Mahnung an die heutige Gesellschaft.

Die vollständige Rezension unter Niemand entkommt - sechs Tage Anarchie

Bereits der Einstieg in den Roman ist an Brutalität kaum zu überbieten und lässt keine Fragen offen, in welche extreme Szenerie der Autor den Leser entführt: Ernesto Vera ist ein unbescholtener, hart arbeitender Bürger, der auf dem Heimweg von seiner Arbeit ist und die Hoffnung auf ein besseres Leben hegt. Er möchte Koch werden, um dem Elend der Unterschicht Los Angeles‘ zu entkommen. Doch in Zeiten der Unruhe ist das bisherige Verhalten keine Variable im Spiel der Gewalt („Es gibt keine Regeln mehr. Keine. Nicht in dieser Lage, bei diesen Ausschreitungen.“) und er wird zum als willkürlich erscheinenden Opfer einer marodierenden Gang.

[...] Der Originaltitel, All Involved, verdeutlicht die Zustände während der Unruhen noch besser, denn er beschreibt nicht nur die Wut, die sich Bahn bricht, sondern zugleich, dass nicht unterschieden wurde zwischen Weißen, Schwarzen oder Hispanics, zwischen Gangmitgliedern, Uniformierten oder „normalen“ Bürgern – es gab kein Entkommen und alle Menschen der Stadt waren gleichermaßen betroffen von der so wahrgenommenen Ungerechtigkeit des Urteils sowie den daraus resultierenden brutalen Folgen. So, wie man den Blick von diesem Schrecken nicht abwenden kann, kann man auch das Buch kaum aus der Hand legen. In den Straßen die Wut ist ein mitreißender Thriller, der den Leser tief in das Grauen dieser Tage hineinzieht.