Rezension

Ein mitreißender und berührender Roman, der die großen Fragen des Lebens aufwirft.

Das wilde Leben der Cheri Matzner
von Tracy Barone

Das junge Ehepaar, Solomon und seine italienische Frau Carlotta “Cici” Matzner freuen sich unbändig auf ihr erstes gemeinsames Kind. Doch als Cici eine Fehlgeburt erleidet und in eine schwere Depression gleitet, weiß sich Solomon nicht anders zu helfen als schnellstmöglich ein Kind zu adoptieren. Mit der Adoption von Cheri erwacht wieder neuer Lebensmut in Cici, doch die Familie zu der sie zusammenwachsen entspricht nicht mal ansatzweise dem, was sich Solomon und Cici von ihrem Leben erhofft hatten.

Der Roman »Das wilde Leben der Cheri Matzner« von Tracy Barone hat mich durch die Coverabbildung einer kessen jungen Frau direkt angesprochen und auch der Klappentext des Diogenes Verlages klang recht vielversprechend. Nach den ersten Kapiteln wurde jedoch ziemlich schnell klar, dass meine Erwartungen, einer frechen und wilden Geschichte, wie es der Buchtitel verspricht, nicht erfüllt werden würden. Anstatt einer wilden Lebensgeschichte bietet Tracy Barone eine mit viel Drama gewürzte Familienhistorie.

Die Geschichte beginnt mit Cheris Geburt als Tochter eines drogenabhängigen Teenager-Mädchens zu Beginn der 1960er Jahre. Von ihrer Mutter im Krankenhaus zurückgelassen landet Cheri durch den Hilfspfleger Billy Beal ganz ohne Behördenwahnsinn bei seiner Familie zur Pflege und schließlich auf nicht ganz legalem Weg bei der Familie Matzner, deren Baby kürzlich durch Komplikationen bei der Geburt verstarb. Cici Matzner ist nach dieser traumatischen Erfahrung und der Gewissheit nie wieder ein eigenes Baby bekommen zu können, in eine schwere Depression gestürzt.

Nach diesem ersten Teil der Geschichte gibt es einen Zeitsprung in das 21. Jahrhundert. Cheris 40. Geburtstag steht vor der Tür, ihre Ehe mit dem älteren Michael steht kurz davor in die Brüche zu gehen und nach ihrer Arbeit bei der Polizei hat sie sich bis zur Professorin der Altorientalistik an der Chicagoer Universität auf der Karriereleiter nach oben gearbeitet.

Trotz meiner unerfüllten Erwartungen ist es Tracy Barone gelungen, mich mit ihrer emotionalen Familiengeschichte um den Finger zu wickeln.

Sie beleuchtet Cheris Leben aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln und offenbart häppchenweise anhand diverser Rückblicke die Schlüsselmomente ihrer Kindheit. Dabei werden dem Leser vor allen Dingen schwere Themen wie die Wichtigkeit der Religion in der Familie, Verlust eines Kindes, Adoption, Drogenmissbrauch, Eheprobleme, Ehebruch und der Umgang mit einer Krebserkrankung serviert.

Die Partnerschaft von Cheri und Michaels hat sich im Laufe der Jahre, nicht zuletzt durch Cheris unterdrückten Probleme mit ihrer Identität, in eine Sackgasse manövriert. Als sie kurz vor einer Scheidung stehen erhält Michael die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Cheri versucht ihren Mann so gut es geht zu unterstützen und fällt danach, ähnlich wie ihre Mutter nach dem Tod ihres Babys, in ein tiefes Loch.

»Das wilde Leben der Chrie Matzner« hat mich durch die unglaublich authentischen Protagonisten, die eindrückliche Schreibkunst von Tracy Barone und jeder Menge Drama (das an manchen Stellen definitiv etwas zu überladen und konstruiert wirkt) an die Seiten gefesselt und mir schlussendlich auch noch ein paar Tränchen abgenötigt. Außerdem fand ich die Frage die der Roman aufwirft, ob man tatsächlich die Menschen, mit denen man täglichen Umgang pflegt, die man liebt, mit denen man verwandt ist, so gut kennt sehr interessant.

Triggerwarnung: Dieses Buch enthält Szenen, in denen sich die Protagonisten in seelisch schwer belastenden Situationen wiederfinden und sich selbst verletzen.