Rezension

Ein Muss für alle Kai Meyer Fans

Phantasmen - Kai Meyer

Phantasmen
von Kai Meyer

Plötzlich müssen die Lebenden die Welt mit den Toten teilen.

Am sogenannten Tag Null erschienen die Geister der Verstorbenen zum ersten Mal an den Orten ihres Todes. Da es stündlich es mehr werden, müssen die Lebenden lernen, die Welt mit den Toten zu teilen. Obwohl das Totenlicht der Verstobenen grell und unangenehm leuchtet, wird schnell deutlich, dass von den starren Abbildern keine Gefahr ausgeht. Doch eines Tages geschieht etwas Merkwürdiges. Auf den Gesichtern der Geister zeigt sich ein grausames Lächeln, das ebenso kalt ist wie das Licht, das aus der Mitte ihrer starren Körper strahlt. 

In dem Moment, als sie zum ersten Mal lächeln, befinden sich Rain und ihre jüngere Schwester Emma mitten in der spanischen Wüste, um die Geister ihrer Eltern aufzusuchen. Diese kamen bei einem tragischen Flugzeugabsturz ums Leben, wodurch ihre Abbilder die Unendlichkeit in der Einöde Spaniens verbringen. Doch der Abschied wird von dem gefährlichen Lächeln der Verstorbenen überschattet. Auch der Norweger Tyler, der zwischen den Absturzopfern von seiner großen Liebe Flavie Abschied nehmen will und dort auf Rain und Emma trifft, spürt die Bedrohung. Als Einziger erahnt er das drohende Unheil …

Weißt du, wie es ist, jemanden so sehr zu lieben, dass er in jedem Bild auftaucht, das du dir von deiner Zukunft ausmalst? […] Und nun überleg dir, wie es sich anfühlen würde, wenn ihn jemand aus all diesen Schnappschüssen entfernt. Wenn neben dir nur noch ein leerer Umriss stehen würde, ausgeschnitten wie mit einer Schere. Das sind die traurigsten der traurigen Geschichten. Diese hier ist eine davon. Mit Geistern. Millionen von Geistern. – Seite 9 –

Spannung von der ersten Seite an …

Phantasmen von Kai Meyer gehört zu den Büchern, die ab der ersten Seite zu fesseln wissen. Bereits das erste kurze Kapitel jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Denn, was geschieht, wenn geliebte Menschen plötzlich versterben? Die Toten bleiben zwar in Erinnerung, doch sind sie in den seltensten Fällen noch dauerhaft präsent. Anders hingegen in diesem Roman, denn hier ist der Tod nicht das endgültige Ende. Hier tauchen die Verstorbenen irgendwann als leuchtendes Abbild wieder auf. Dabei ist es unerheblich, ob der Ort des Todes die offene Straße, ein Krankenhaus oder eben das eheliche Bett war. Eine Grundidee, die mit mit Schrecken erfüllt und gleichzeitig absolut fasziniert.

Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren verzichtet Kai Meyer bei diesem Roman auf eine zu detaillierte Ausarbeitung der Charaktere – Erlebnisse und Hintergründe werden erwähnt, jedoch kaum thematisiert. Als Leser bekommt man gerade so viele Informationen, dass sich Sympathien aufbauen oder vielleicht auch Antipathien entwickeln können, doch der Kern der Charaktere bleibt den Lesern verborgen. Aber genau diese Geheimnisse der machen zugleich einen großen Teil der Spannung aus. Scheinbar unwichtige Details werden plötzlich mitten im Geschehen existenziell, nur um im weiteren Handlungsverlauf plötzlich wieder an Bedeutung zu verlieren. Genau dieses Wechselspiel, reizt immer wieder beim Lesen. Insgesamt bietet dieser Roman ein Wechselspiel von knisternder Hochspannung und sehr kleinen Atempausen. Und genau aus diesem Grund hätte ich mir ein etwas spektakuläreres Ende gewünscht. Doch auch wenn der große Showdown in meinen Augen nicht ganz geglückt ist, verspricht dieser Roman Spannung pur!