Rezension

Ein must read!

Homo Deus - Yuval Noah Harari

Homo Deus
von Yuval Noah Harari

Bewertet mit 4 Sternen

Bei Homo Deus muss man nicht zu allem Ja und Amen sagen, um das Buch gut zu finden, bzw. es in vollem Umfang zu schätzen wissen, aber gelesen und darüber nachgedacht haben, sollte man es.

Homo Deus von Harari sticht deutlich aus der Reihe von Sachbüchern hervor, die man zum Thema Zukunft der Menschheit heute lesen kann. Auf jeden Fall ist es ein Buch, das man gelesen/gehört haben muss.

Zweifelsohne ist es kein Wohlfühlbuch. Ganz im Gegenteil. Harari hat gezielt darauf angelegt, die Leser zu provozieren, sie aus der Komfortzone zu locken, über den Tellerrand eigener Überzeugungen und Vorstellungen von Gut und Böse zu schauen, uvm. Bei vielen seiner Ausführungen lässt er bewusst einige wichtige Aspekte des Menschseins aus und hebt ganz andere hervor. So dargestellt stehen Menschen eher wie ferngesteuerte Zombies da und man fragt sich, ob das nur Hirngespinste eines „verrückten“ Professors sind oder ist da mehr dran, bzw. ob das insg. angehen kann.

Harari serviert seine Sicht der Dinge durchaus so, dass einem, je nach Gemüt und seelischer Verfassung, die Haare zu Berge stehen, man ggf. einen dicken Hals kriegt und evtl. gute Lust bekommt, das Ganze in die hinterste Ecke zu pfeffern. Aber das ist Teil seiner Show, da liegt u.a. das Geheimnis seines Erfolges. Durch gezielt provozierende Äußerungen bekommt er seine Leser aus der (antizipierten) Egal-Haltung heraus und, was noch wichtiger ist, überhaupt dazu, über solche Themen nachzudenken und sich solche Fragen zu stellen, die man sich nicht unbedingt jeden Tag stellt, wie: Was heißt es eigentlich, Mensch zu sein? Was gehört dazu? Und was nicht? Und warum? Wo geht das alles hin? Warum unbedingt so und nicht anders? Wollen wir es überhaupt? Und was ist mit ethischen Aspekten solcher Entwicklungen? Können wir uns nicht einen anderen Ausweg überlegen, andere Zukunftsvisionen entwickeln, die vllt nicht so brutal ausfallen, und uns daran machen, diese auch umsetzen? uvm. In der Hinsicht liest sich Hararis Werk wie eine düstere Dystopie.

Von der Infoseite her liefert er nicht wirklich viel Neues, vielmehr größtenteils gutes altes, bloß unter etwas anderem Blickwinkel betrachtet und recht reißerisch dargeboten. Infotainmenteinlagen gibt es reichlich, man kennt den Stoff aber auch schon von woanders, wenn man paar Sachbücher zu dem oder auch verwandten Themen gelesen hat. Das Spannendste war für mich das Wie des Erzählten.

Seine Art zu argumentieren erschien mir reichlich fragwürdig, so gar nicht professorlike. Steile Thesen wurden in den Raum geworfen und wenig bis nicht begründet dagelassen, aber immerhin eindrucksvoll zur Sprache gebracht. Zudem wiederholte er sich recht oft, er wiedersprach sich selbst auch oft genug. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist er eher ein passionierter Entertainer, ein Showman, dem die Stringenz seiner Logik, die Unerschütterlichkeit seiner Beweise nicht so wichtig erscheinen, dafür aber der Eindruck, den er mit seinem Auftritt hinterlässt, der Grad der Aufrüttelung, der Anteilnahme seiner Leser/Zuhörer und dergleichen. Polemisieren war wohl eher sein Ziel, was er auch erreicht hat.

Die Frage, die oft auftauchte, war: Was will Harari mit seinen Ausführungen insg. erreichen? Dass sich seine Intentionen auf pures Infotainment beschränkten, fiel mir gewissermaßen schwer zu glauben. In der Hinsicht drängte sich: Ist es schon alles, weshalb er die ganze Arbeit geleistet hat?  Oder sieht er vielmehr die Menschheit am Rand des Abgrunds, es ist in etwa fünf vor zwölf,  und er will aufwecken und zum Umdenken, zu grundsätzlich anderem Handeln anregen? Fragen über Fragen.

So oder so: Harari schafft es, seinen Lesern genug Stoff zum Nachdenken und Diskutieren zu bieten. Darin sehe ich seinen Verdienst.

Bei Homo Deus muss man nicht zu allem Ja und Amen sagen, um das Buch gut zu finden, bzw. es in vollem Umfang zu schätzen wissen, aber gelesen und darüber nachgedacht haben, sollte man es.

Das Buch habe ich auch gehört. Jürgen Holdorf hat sehr gut gelesen. Gut geübte, wohlklingende Profi-Stimme, die er effektvoll einzusetzen weiß und die zu der Geschichte insg. ganz gut passt. Ich hatte keine Probleme, stundenlang zuzuhören. Seine Art vorzutragen hat die Wirkung des Harari Werkes  gut verstärkt, sodass die Zukunftsvisionen &Co. so bestimmt klangen, als ob sie im Stein gemeißelt wären. Vllt war es auch eine gezielte Wirkung, die dann auch sehr gut gelungen ist.

Hörbuch, Spieldauer 17 Stunden und 13 Minuten, ungekürzte Ausgabe.