Rezension

Ein 'Must read' für jeden politisch intteressierten Leser

Die schützende Hand
von Wolfgang Schorlau

Mittlerweile ist die Reihe um den Privatermittler und ehemaligen BKA-Zielfahnder Georg Dengler auf acht Bände angewachsen. Und noch immer findet der Autor Wolfgang Schorlau genügend Stoff in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit, den er in seinen spannenden Kriminalromanen verarbeiten kann. Ob RAF („Die blaue Liste“, 2003), das Oktoberfest-Attentat („Das München-Komplott“, 2009) oder die Machenschaften der Pharma- und Lebensmittelindustrie („Die letzte Flucht“, 2011 / „Am zwölften Tag“, 2013) – es sind immer reale Vorkommnisse, die seinen gut recherchierten Romanen zugrunde liegen. Natürlich könnte man einwenden, dass er es mit der künstlerischen Freiheit übertreibt, aber gerade der Oktoberfest-Fall zeigt, dass die Schlussfolgerungen, die Schorlau zieht, nicht so weit hergeholt sind, wie die Politik uns glauben machen möchte.

„Die schützende Hand“ (2015 erschienen bei Kiepenheuer & Witsch) ist Denglers achter Fall, und hier nimmt Schorlau die Mordserie der neofaschistische NSU unter die Lupe. Ein höchst brisantes Thema, denn ist es möglich, dass staatliche Stellen wie Verfassungsschutz und BND ihre schützende Hand über diese Kriminellen halten? Oder, vielleicht noch schlimmer, deren Morde aktiv unterstützen?

15.000 Euro und ein Prepaid-Handy offeriert ein unbekannter Auftraggeber Georg Dengler für die mit Beweisen belegte Beantwortung der Frage, wer die beiden Neonazis Mundlos und Böhnhardt getötet hat. Auf den ersten Blick eine leichte Aufgabe, haben doch die diversen Medien ausführlich und detailliert über deren Selbstmord berichtet. und da der Stuttgarter Privatermittler einmal mehr in finanziellen Schwierigkeiten steckt, nimmt er den Auftrag an. Schicht für Schicht trägt Dengler mit Hilfe seiner Freunde Informationen und Protokolle zusammen und stellt zahlreiche Ungereimtheiten fest. Aussagen wurden verfälscht, Ermittlungsergebnisse manipuliert - offenbar gibt es Verbindungen der Rechtextremisten zu Politik und Geheimdiensten, die nicht ans Licht der Öffentlichkeit gelangen sollen. Und so stellt sich die Frage, wer hier eigentlich wen warum deckt…

Wie man es nach der Lektüre der Vorgänger erwartet, ist auch „Die schützende Hand“ einmal mehr ein hervorragend recherchierter Kriminalroman aus der Feder Wolfgang Schorlaus – das Nachwort und der ausführliche Anhang listen in bewährter Manier die Quellen auf, mit denen der Autor die Plausibilität seiner Geschichte untermauert. Die eingestreuten Vernehmungsprotokolle zwingen den Leser immer wieder zum Innehalten und Reflektieren, vertiefen aber das zuvor Gelesene und machen es in der Rückschau plausibel – oder aber nicht.

Bei einer Lesung, die ich besucht habe, sagte der Autor, dass er sich noch nie so sehr vor dem Schreiben eines Buch gefürchtet habe wie vor diesem. Selbst wenn man alle Spekulationen ignoriert und sich nur an die belegten Fakten hält, wird klar, warum. „Die schützende Hand“ ist ein ‚Must read‘ für jeden politisch interessierten Leser – nicht nur für diejenigen, deren bevorzugte Lektüre Kriminalromane sind!