Rezension

Ein mythischer Wilder Westen

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
von C. Pam Zhang

Bewertet mit 4 Sternen

C Pam Zhangs Roman “Wie viel von diesen Hügeln ist Gold” spielt zur Zeit des Goldrausches und beginnt mit dem Tod des Vaters von Lucy und Sam. Die beiden jungen Protagonisten sind plötzlich in der kargen und feindseligen Welt des amerikanischen Westens auf sich alleine gestellt. Sie verlassen den Ort, in dem sie zuletzt mit ihrem Vater gewohnt haben und wagen sich in die Wildnis.

Im Folgenden entwickelt sich eine Geschichte, die sich aus verschiedenen Stimmen, Figuren und Perspektiven zusammensetzt. Da ist zunächst der Vater Ba, der ein Abenteurer ist und der die Hoffnung darauf, als Goldgräber reich zu werden, nicht aufgibt. Die Mutter hingegen hängt an ihrer chinesischen Heimat und will dorthin zurück. Diese Sehnsucht manifestiert sich auch sprachlich, denn ihre Rede ist durchzogen von chinesischen Wörtern und kurzen Sätzen. Lucy hingegen, die ältere Tochter, fühlt sich in diesem neuen Land angekommen, ist wissbegierig und will lernen, während Sam mit dem Vater durch die Gegend zieht, immer auf der Suche nach Gold.

Die Welt, in der die Geschichte dabei angesiedelt wird, ist zwar an die Zeit des Goldrausches gebunden, steht aber gleichzeitig für sich. Eine präzise zeitliche Einordnung umgeht die Autorin bewusst, indem sie die ersten Ziffern der Jahreszahlen mit XX markiert. Diese scheinbare Ungenauigkeit macht es möglich, dass die erzählte Welt mythisch aufgeladen wird. Tiger tauchen so zum Beispiel in unterschiedlichen Formen immer wieder in ihr auf und existieren neben Bisons. Chinesische Mythologie verbindet sich auf diese Weise mit amerikanischen Gründungsmythen.

C Pam Zhang erzählt von Migration und Integration, von Heimat und Ausgrenzung. Die Akzeptanz des Umfeldes für die Familie ist stets gering oder sogar überhaupt nicht vorhanden. Lucy und Sam sind in den Augen ihres Lehrers Wilde, vor denen er seine anderen Schüler schützen muss, die aber als Forschungsobjekte für sein Buch gut genug sind. Der Roman erzählt von der Sehnsucht nach einem Ort, an dem man so akzeptiert wird, wie man ist, in dem eine Sprache gesprochen wird, die einen noch nicht beleidigt hat und in dem Hoffnung noch auf fruchtbaren Boden trifft.

Die Autorin relativiert mit dem Roman die Idee vom amerikanischen Traum und von einer Gesellschaft, in der jeder aufsteigen kann, wenn er nur hart genug arbeitet. Denn der amerikanische Traum, also die Anhäufung von Gold, Reichtum und Landbesitz, ist nur wenigen vorbehalten. Für alle anderen bedeutet der amerikanische Westen Armut, Grausamkeit und Zerstörung.

Nicht zuletzt erzählt der Roman eine Geschichte von der Suche nach Identität. Sam hat schon früh das Bedürfnis, sich von ihrer/seiner weiblichen Identität zu distanzieren und fühlt sich in männlicher Kleidung und mit kurzen Haaren wohler. Auch ihr/sein Verhalten entspricht nicht den Anforderungen, die das Umfeld an ein Mädchen stellt.

“Wie viel von diesen Hügeln ist Gold” ist ein Abenteuerroman, eine Coming-of-Age-Story und schafft eine alternative und mythische Version des Wilden Westens. Der Roman zeichnet sich durch eine greifbare Atmosphäre aus, die oft von Trostlosigkeit und Verlust geprägt ist. In einer kraftvollen und eindringlichen Sprache erzählt die Autorin vom zerstörerischen menschlichen Umgang mit der Natur, von der Suche nach einem Zuhause und nach Identität und auch von Rassismus, der allgegenwärtig ist und vor dem es kein Entrinnen gibt.