Rezension

Ein neues Lieblingsbuch

Die Selbstmord-Schwestern - Jeffrey Eugenides

Die Selbstmord-Schwestern
von Jeffrey Eugenides

Bewertet mit 5 Sternen

Das Vorstadthäuschen der Lisbons wird langsam zu eng für die fünf Töchter. Doch noch bevor sie sich eine größere Bleibe gesucht haben, stürzt sich Cecilia, die jüngste der Schwestern, aus dem Fenster. Die Nachbarn werden dieses „Jahr der Selbstmorde“, das scheinbar den langsamen Untergang der Siedlung einläutet nie vergessen. Und auch noch Jahre später treibt sie die Frage nach dem Warum um.

Ich war begeistert von der Erzählperspektive. Wo viele andere Autoren sicher den Blick eines der Mädchen oder eines allwissenden Erzählers gewählt hätten, um diese Geschichte zu erzählen, tut Eugenides dies aus der Sicht der Nachbarsjungs. Richtig, der Jungs, nicht eines Jungen. Sie bilden eine Einheit aus der nur hin und wieder mal eine Individuum heraustritt. Ganz ähnlich, wie ihr Blick meist auch nicht auf eine bestimmte Schwester fällt, sondern auf die Schwestern als eine verführerische Einheit.

Trotz aller Tragik hat der Roman auch eine dezent ironisch-lustige Seite: Wie der Sohn der örtlichen Mafiabosses durch die Kanalisation in anderer Leute Häuser kriecht, wie der Vater der fünf Töchter, übersättigt von „Weiberkram“, einfach mal einem Jungen seinen Werkzeugkasten erklären möchte oder Sätze wie: „Wir haben sie getauft, wie haben sie konfirmiert, und jetzt glaubt sie diesen Mist.“ Es ist allerdings keineswegs lustig! Die Geschehnisse, die sich an diese Situationen jeweils anschließen, lassen einem jedes Lachen im Halse stecken bleiben. Aber diese kluge Mischung von Alltag, Ironie und Tragik hat mich unglaublich begeistert.

Was das Buch für mich zu einem absoluten Liebling gemacht hat, war die Sprache. Hübsche Metaphern, gemischt mir Teenagererinnerungen. Abgeklärtheit einerseits und andererseits diese absolut liebevollen Gedanken der Jungs gegenüber den Schwestern. Die Ruhe und die Zeit, die sich Eugenides nimmt um die Ereignisse zu schildern. Die Melancholie und der perfekt getroffene Ton:

„Die Signale der Mädchen erreichten uns und sonst niemand, wie ein Rundfunksender, der nur über unsere Zahnspangen zu empfangen war. Nachts flimmerten Nachbilder auf der Innenseite unserer Lieder oder schwebten über unseren Betten wie ein Schwarm Glühwürmchen. Unsere Unfähigkeit zu antworten machte die Signale umso wichtiger.“

Wer von diesem Buch Antworten erwartet, einen wie auch immer gearteten Kriminalfall oder ein Vorstadtdrama, der ist hier falsch. Man weiß eigentlich schon vom Titel her was passiert. Und viel mehr kommt da auch nicht. Das Beobachten, das sich-Gedanken-machen und das sich-Erinnern sind die Themen des Romans. Der zarte feinfühlige Rückblick auf die Schwestern und dieses „Jahr der Selbstmorde“. Und Eugenides schafft es, dass dieses wenige vollkommen reicht. Ein wundervolles Buch!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 29. August 2018 um 20:09

Ah super. Dieses schöne Buch habe ich noch vor mir.

 

katzenminze kommentierte am 29. August 2018 um 20:34

Dann hoffe ich mal, dass die Pflicht bald geschafft ist und der SuB drankommt!