Rezension

Ein opernhaftes Märchen

Töte mich - Amélie Nothomb

Töte mich
von Amélie Nothomb

Bewertet mit 5 Sternen

Belgien, 2014. Der Grafenfamilie Neville ist das Geld ausgegangen, eine Gartenparty soll die letzte ihrer Art sein, bevor das Schloss in dem die Familie lebt verkauft wird. Graf Henri Neville holt einige Abende vor diesem Ereignis seine 17-jährige Tochter Sérieuse (was für ein Name!) von einer Wahrsagerin ab, da diese seine Tochter vor dem Erfrieren gerettet hat. Die Wahrsagerin weissagt dem Grafen, dass er auf seiner Gartenparty einen Gast ermorden wird. Für dieses „Problem“ stellt sich seine melancholische Tochter zur Verfügung und versucht im Laufe des Buches, ihren Vater für ihren Plan zu gewinnen.

Der Titel „Töte mich“ lässt auf ein Drama oder Thriller schließen, der Roman entpuppt sich jedoch als sehr launiges, witziges opereskes Märchen.

Amélie Nothomb verwebt viele Verweise auf klassische Literatur und die Erzählungen aus der Antike in ihrem 112-seitigen Buch. Beispielsweise heißen Sérieuse Geschwister Oreste und Électre (Elektra und Oreste töteten in der griechischen Mythologie ihre Mutter und sind die Geschwister von Iphigenie). Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Sérieuse eigentlich Iphgenie hätte heißen müssen, um das Geschwistergespann aus der Sage zu ergänzen.

Oreste und Électre sind im Gegensatz zu Serieuse schön, charismatisch und fröhlich. Trotzdem haben sie Schwierigkeiten bei der Partnerwahl, dessen Grund eins meiner Liebsten Zitate aus dem Buch darstellt:

Wenn er eine junge Frau ansprach, wurde sie auf der Stelle blöde, entweder weil sie nie anders gewesen war oder weil sein Ruhm sie einschüchterte. (S. 52)

Die Wortgefechte zwischen Vater und Tochter machen Spaß und haben auch beim Rezitieren in meinem Umfeld für einige Lacher gesorgt. Der Graf versucht alles, um seinem durch die Wahrsagerin prophezeiten Schicksal zu entfliehen und zögert auch nicht, nach einem Präzedenzfall in der Geschichte der Adelsfamilien zu suchen.

„Du bist wirklich lustig, Papa. Genauso wie dein Bedürfnis nach einem Präzedenzfall. Warum muss es denn unbedingt einen geben?“ - „Weil das eins der Prinzipien aristokratischen Handelns ist: Man lässt sich von den Taten seines Ahnen inspirieren.“ (S. 94)

Das Buch erinnert sehr an die Handlung von komischen Opern und ist für alle Liebhaber dieser Gattung eine klare Empfehlung!