Rezension

Ein Original

Das Geheimnis von Zimmer 622
von Joël Dicker

Bewertet mit 3.5 Sternen

Nachdem ich den Roman nun kenne, muss ich sagen, dass ich den Klappentext als irreführend empfinde: Die Spurensuche der beiden Hobby-Detektive, der liebeskranke Schriftsteller & seine resolute Urlaubsbekanntschaft, macht den geringsten Teil der Geschichte aus. Hauptsächlich geht es um die Geschehnisse und Charaktere, die viele Jahre zuvor, mehr oder weniger direkt mit dem geheimnisvollen Mord zu tun hatten, sowie um die Ereignisse, die sich 15 Jahre davor ereigneten, und schlussendlich das besagte Todesopfer forderten.

Weil mir der Schriftsteller unsympathisch war und ich seine Bekannte weitestgehend uninteressant fand, war es mir nur Recht, dass sich der Plot wenig mit ihnen befasst.

Die Haupthandlung empfand ich als total verrückt, chaotisch sowie voller Archetypen: Der personifizierte Teufel, der rachsüchtige Versager, die Eiskunstlaufmutter und der treudoof ergebene Trabant – sie alle sind meiner Meinung so verstörend faszinierend wie ein Flugzeugabsturz in der Nachbarschaft, bei dem das eigene Haus als einziges heil bleibt! Dann wären da noch der hoffnungslose Romantiker, der verkannte Künstler und die verraten & verkaufte Tochter/Geliebte/Ehefrau. Andererseits sind hier nicht alle was sie vorzugeben sein…

Der Stil hat mich persönlich ein wenig an alte, lustig-ernste Filme erinnert (z.B. „Wir sind keine Engel“ oder „Manche mögen’s heiß“), in denen die Figuren wenig differenziert dargestellt werden, und das Schauspiel, aus heutiger Sicht, übertrieben wirkt: grotesk und irrwitzig eben. Die Geschehnisse finden größtenteils in einer Privatbank sowie in einem Nobelhotel, statt. Neben Macht und Geld sind auch Familie, Träume, Gewinner, Verlierer sowie Liebe, die Zutaten der abstrusen Irrungen & Wirrungen in „Das Geheimnis von Zimmer 622“.

Die Tatsache, dass sich der Autor als Romanfigur eingebaut hat, fand ich überflüssig, und die Ausführung bzw. Einbindung dieses Handlungsstrangs in die Haupthandlung, ist für meinen Geschmack nicht effektiv umgesetzt.

Im Großen und Ganzen hatte ich meine Freude mit diesem Füllhorn an Rätseln, unglücklichen Zufällen, Missverständnissen, Drama sowie Humor! Die komplexen Zusammenhänge, zusammen mit der packenden, ereignisreichen Handlung, haben mich dazu gezwungen zwei Nächte durchzumachen. Dank des mitreißenden, bildlichen, amüsanten sowie atmosphärischen Schreibstils, bin ich nur so durch die gut 500 Seiten der e-book Version geflogen!