Rezension

Ein packender Kriminalfall mit faszinierenden Einblicken in das Wien der 1890er

Das Buch des Totengräbers -

Das Buch des Totengräbers
von Oliver Pötzsch

Bewertet mit 5 Sternen

Oliver Pötzsch ist mit „Das Buch des Totengräbers“ ein meisterhafter historischer Kriminalroman gelungen, der spannende Phänomene des späten 19. Jahrhunderts aufgreift, z. B. die Etablierung des Fahrrads, das Aufkommen von einfach verfügbarer Photographie und die Kriminalistik. Im Vordergrund stehen dabei immer die randständigeren Figuren der Wiener Gesellschaft: ein deutscher Ermittler mit jüdischen Wurzeln, eine junge Telefonistin mit Ambitionen, ein Totengräber …

 

Ausgangspunkt der Geschichte sind die grausamen Morde an einer Reihe junger Frauen. Leo von Herzfeldt ist neu in Wien, genau wie seine Ermittlungsmethoden. Der junge Inspektor wendet begeistert alle technischen Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, an, um die Tatorte zu analysieren, einschließlich der gerade aufkommenden individuellen Photographie – dabei stößt er jedoch bei seinen traditionsverbundenen Kollegen und Vorgesetzten meist auf taube Ohren. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf eigene Faust zu ermitteln. Unterstützt wird er dabei von der Telefonistin Julia und dem Totengräber August, der zwar eine Menge Know-how mitbringt, Leo jedoch als der komische Kauz, der er ist, auch gehörig auf die Palme bringt.

 

„Das Buch des Totengräbers“ ist sowohl ein wunderbar konstruierter Krimi mit vielen Wendungen und sich stetig aufbauender Spannung als auch ein hervorragend recherchierter historischer Roman. Persönlichkeiten der 1890er Jahre in Wien wie die Musiker-Familie Strauss werden organisch in den Handlungsverlauf eingewoben, damals neue Technologien werden mit all ihrem Diskussionspotenzial geschickt eingesetzt, um ein authentisches Bild der Gesellschaft dieser Zeit und ihrer Herausforderungen zu schaffen. Dabei stehen der Kriminalfall und Leos Ermittlungen, die ihn in immer düstere Bereiche der Wiener Oberschicht führen, stets im Vordergrund – historische Informationen werden nie um ihrer selbst willen gegeben, sondern fügen sich stets organisch in den Handlungsverlauf ein und sind Teil der Geschichte, die erzählt wird. Der Wiener Zentralfriedhof, Augusts Wirkungsstätte, wird dabei trotz seiner abgelegenen Lage zu einem zentralen Schauplatz der Geschichte, der Ton und Atmosphäre des ganzen Romans deutlich prägt.

 

Ein unglaublich spannender Krimi mit authentischen Figuren und ein detailliertes Porträt der Stadt Wien in den 1890ern. All das in einer stets düster oder verrucht anmutenden Atmosphäre mit viel Friedhofsromantik. Eine unbedingte Leseempfehlung!