Rezension

Ein pensionierter Kommissar und die Last eines ungelösten Altfalls

Verborgen im Gletscher - Arnaldur Indriðason

Verborgen im Gletscher
von Arnaldur Indriðason

Bewertet mit 5 Sternen

Durch den Klimawandel schmelzen auch in Island deutlich sichtbar Gletscher ab. Als im schmelzenden Eis des Langjökull-Gletschers die Leiche eines seit Jahrzehnten vermissten Geschäftsmanns freigelegt wird, hofft die isländische Kriminalpolizei, die Fallakte nun endlich schließen zu können. Der Hauptverdächtige von damals, ein Geschäftspartner des vermissten Sigurvin,  hatte seit Jahrzehnten seine Unschuld beteuert. Er besteht nun darauf, mit dem pensionierten Kommissar Konráð zu sprechen - und nur mit ihm.  Konráð konnte vor 30 Jahren keinen Täter überführen und sieht sich erneut mit seinem Scheitern und dem damaligen Spott seiner Kollegen konfrontiert. Er würde nach der Pfeife des hochmanipulativen Hjaltalín tanzen, hieß es, ohne ihm etwas nachweisen zu können. Indem der Verdächtige immer wieder auf Konráðs unbestreitbar kriminellen Vater zu sprechen kam, traf er den schwachen Punkt des Ermittlers.

Konráð ist erst seit kurzer Zeit pensioniert und verwitwet. Einen Plan für die Zukunft hat er noch nicht, so dass ihm  die Bitte um Unterstützung  seiner Ex-Kollegin Marta nicht ungelegen kommt. Da Konráð sich aktuell mit dem ungeklärten Tod seines Vaters befasst, befindet er sich in einer vergleichbaren Situation wie die Angehörigen des Toten und des Hauptverdächtigen – er möchte Klarheit über die Todesursache. Konráð hat  in seiner Beraterrolle keinen abgegrenzten Arbeitsauftrag und schliddert eher unkoordiniert durch seine Ermittlungen. Da er selbst aus dem ärmlichen Schattenviertel stammt,  in dem er ermittelt, hat er den Kollegen gegenüber den Vorteil, dass man ihm dort vertraut und sich von ihm verstanden fühlt. Für  Konráð gilt es jetzt, Verbindungen zu erkennen und zu klären, wer damals einen Jeep zur Verfügung hatte, mit dem ein Gletscher zu befahren war. Nach einigen Wendungen lässt ein  unerwarteter Story-Twist einen als Leser am Ende unsicher darüber zurück, was man von Konráð halten soll …

Mit Kommissar Konráð, der bereits in der Flóvent-Thorson-Reihe einen Auftritt hatte, schafft Arnaldur Indriðason einen glaubwürdigen, stimmigen Charakter, der sich noch nicht völlig auf sein Rentnerdasein eingestellt hat. Das Thema Einsamkeit im Alter schwingt parallel zur Aufklärung von Sigurvins Tod stets mit und erinnert an Nessers Der Verein der Linkshänder. Erstaunlich finde ich, wie viel Persönliches man als Leser über Konrad erfährt und auch, wie schmal der Grat für ihn als Jugendlicher war, von dem er nach der Trennung seiner Eltern in die Kriminalität hätte abrutschen können. Ein Ermittler, der alles andere als fehlerlos ist, und ein Kriminalfall, der dem Autor Gelegenheit gibt, über die Wirtschaftskrise, den Touristenboom seit Anfang des Jahrtausends und die Folgen des Klimawandels zu plaudern. Ich fand Konráðs Wege spannend und unterhaltsam und  empfehle den Roman an Island-Fans gern weiter.