Rezension

Ein philosophischer Dialog

Utopia - Thomas Morus

Utopia
von Thomas Morus

Bewertet mit 4.5 Sternen

Thomas More prägte mit diesem Buch die Genrebezeichnung 'Utopie'

Im Jahre 1516 verfasste Thomas More, ein im Dienste des englischen Königs Henry VIII stehender Staatsmann, das Buch 'Utopia', welches ursprünglich den lateinischen Volltitel 'De Optimo Rei publicae Statu deque nova insula Utopia Libellus vere aureaus, nec minus salutaris quam festivus' (zu deutsch: „Von der besten Staatsverfassung und von der neuen Insel Utopia, ein wahrhaft goldenes Büchlein, genauso wohltuend wie heiter“) trug. Der mittlerweile gekürzte Titel lässt bereits erahnen, dass More die Bezeichnung 'Utopie' und somit das literarische Genre der utopischen Romane maßgebend prägte.

Das Werk selbst ist in zwei Teilen gegliedert: Während der erste Teil einen philosophischen Dialog, dem eine sowohl gesellschaftliche als auch politische Kritik Europas (vor allem Englands) innewohnt, beinhaltet, schildert der zweite Teil von der Republik 'Utopia'. Als Rahmenhandlung dienen die Erzählungen eines Seemanns, der als Berichterstatter fungiert, nachdem er einige Zeit in der Gemeinschaft der Utopier verbrachte.

"Wozu denn ein Bündnis?, sagen sie; als ob nicht die Natur die Menschen untereinander genügend zusammenbände."

Bereits die ersten Seiten verraten den gewieften Schachzug des Autors: More selbst tritt in seinem Werk als Figur auf und lernt den portugiesischen Weltreisenden Raphael Hythlodeus, welcher Amerigo Vespucci auf seinen Entdeckungsreisen in die Neue Welt begleitete, kennen und kommt mit diesem kurzerhand ins Gespräch. Indem More seinem (fiktiven) Gesprächspartner kritische Worte in den Mund legt, übt er scharfe Sozialkritik am England der Tudorzeit aus und diskutiert quasi mit sich selbst. Hierbei wird sich u.a. oftmals auf Platon bezogen. Themen der Unterhaltung sind u.a. die Todesstrafe, die damals sowohl an Dieben als auch an Mördern verübt wurde, und die Adligen, die "müßig wie die Drohnen von anderer Leute Arbeit leben" und die Bauern "bis aufs Blut schinden."

Wie nun eine ideale Gesellschaft auszusehen habe, ob es ein gerechtes Staatswesen, das alle Bürger glücklich macht, geben könne und wie es dann um den Privateigentum bestellt sei, werden im zweiten Teil dank des angeblich wahren Reiseberichts des Seefahrers diskutiert. Um nicht zu viel zu verraten, erspare ich mir die Details. So viel sei jedoch gesagt: Bereits die Fragen zeigen, wie modern 'Utopia' daherkommt; viele Ideen erscheinen überraschend frühsozialistisch und sogar kommunistisch. So lehnen die Utopier beispielsweise Geld ab und fertigen aus Gold Ketten für die Sklaven, sowie Nachttöpfe an. Was zunächst skurril klingt, obliegt jedoch meist mehreren philosophischen Gedanken, die hier miteinander verwoben werden.

"Wo es noch Privatbesitz gibt, wo alle Menschen alle Werte am Maßstab des Geldes messen, da wird es kaum jemals möglich sein, eine gerechte und glückliche Politik zu treiben"

Obgleich einzelne Themen, wie beispielsweise die Handhabung mit Religionen, durchaus avantgardistisch behandelt werden, zeigen andere wiederum, dass auch More ein Kind seiner Zeit war, wenn zum Beispiel vom Ehebruch die Rede ist. Das Geschilderte wird somit nicht immer mit der Meinung des Lesers konform gehen können. More selbst lässt interessanterweise ab und an durchblicken, dass er nicht alles in Utopia begrüße, was schließlich zur Folge hat, dass sich der kritische Leser eine eigene Meinung bilden kann, was ich sehr begrüßte - ebenso die herrlich ironischen Momente, die das Werk (meiner Meinung nach) mitunter aufweist.

"Der Verkehr mit den Behörden vollzieht sich in freundschaftlichen Formen, da keiner der obrigkeitlichen Beamten überheblich oder barsch ist. Sie heißen Väter und bewähren sich als solche."

Schade fand ich, dass die Moral Utopias nicht durchleuchtet wurde, was ich aufgrund meiner Neugierde sehr bedauerte. Ein Pluspunkt stellte für mich die gute Leserlichkeit dar, da der Inhalt keinesfalls komplex, sondern eher spielerisch dargestellt wird. Ob man das Werk nun als Satire, Wegbereiter oder Kritik liest, hängt wohl vom Standpunkt des Lesers ab. Ich las es u.a. mit einem Augenzwinkern. Beeindruckend finde ich, dass More quasi die politische Philosophie mitformte, die viele Menschen beschäftigt/e und den Gedanken, dass eine bessere Welt (wie auch immer diese zu definieren ist) ohne Idealvorstellung nicht möglich sei, bis heute fortträgt.