Rezension

Ein pures, warmherziges Buch voller Lebensfreude!

Panthertage - Sarah Elise Bischof

Panthertage
von Sarah Elise Bischof

Bewertet mit 5 Sternen

»Panthertage: Mein Leben mit Epilepsie« ist kein gewöhnliches Buch, denn Sarah Elise Bischof schreibt autobiografisch über ihr Leben mit einer Krankheit, die vielen Menschen überhaupt nicht oder nur sehr wage bekannt ist. Der Erscheinungstermin des Buches, der 26. März 2015, hätte nicht treffender gewählt werden können.

Pünktlich zum Purple Day for Epilepsy Awareness, dem internationalen Gedenktag, der auf diese heimtückische Krankheit aufmerksam machen möchte, lag Sarahs Buch in den Buchhandlungen und schon zwei Tage später hielt ich es überraschend in der Hand. Warum mich dieses zartrosane Buch von der ersten Seite an nicht mehr losgelassen hat und ich nun, da ich es fertig gelesen habe, am liebsten die Zeit zurückdrehen und noch einmal von vorne beginnen möchte, berichte ich euch nun in meiner Rezension. Vorsicht, die nächsten Zeilen enthalten möglicherweise Äußerungen, welche unter Umständen zum sofortigen Kauf dieses Buches führen könnten. Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!

Wo fange ich an? Am besten direkt mit den Fakten. Dieses Buch hat mich umgehauen, wortwörtlich und ohne zu übertreiben. Ich saß gestern Abend für etwa sechs Stunden wirklich wie festgewachsen in meinem roten Lesesessel, neben mir eine Tasse heißen Kaffee, die aus mir unerklärlichen Gründen nach einer Weile wieder nachgefüllt worden war (man munkelt, Herr Büchernische könnte dafür verantwortlich sein) – und las. Nein, lesen trifft es eigentlich nur ansatzweise, denn ich verschlang Sarahs Autobiografie; ich atmete förmlich Wort für Wort dieses so unglaublich eloquent und humorvoll formulierten Textes ein und bemerkte gar nicht, wie schnell die Zeit dahin flog.

Kapitel für Kapitel sog ich in mir auf und ertappte mich immer wieder dabei, auf die Seitenzahl zu schielen, in der Hoffnung, dass ich noch möglichst viel von der Geschichte vor mir habe. An dieser Stelle sei eines gleich einmal vorweg gesagt: ich hätte wahnsinnig gerne noch viel, viel mehr über Sarahs Müßigtage und Panthertage, Spaziergänge an der Isar, unbezahlbaren Aufwachmomenten mit Havanna oder ihren Erlebnissen zwischen München und ihrer schwedischen Heimat Lomma gelesen. Doch leider ist Sarahs Geschichte erstens auf 207 Seiten beschränkt und zweitens versagte meine Fähigkeit, meine müden Augen nach 02:00 Uhr morgens offen zu halten, jämmerlichst.

[…] die Diagnose Epilepsie war mitnichten meine Endstation. Sie ist vielmehr eine Weiche gewesen, die den Streckenverlauf meines Lebens änderte. Die Strecke, der mein Leben nun folgt, usr sicherlich wesentlich kurviger. Dennoch ist die Fahrt voller Erlebnisse, die ich nicht missen möchte, und ich empfinde Dankbarkeit für dieses eine zauberschöne Leben, wie ich sie sonst womöglich nie in diesem Maße empfunden hätte. – Seite 27

Sarah schreibt pur, ehrlich und aus dem Herzen. Die studierte Literaturwissenschaftlerin nimmt kein Blatt vor den Mund und so mancher sarkastischer Ausspruch brachte mich schallend zum Lachen. Wenn sie mich nicht zum Schmunzeln brachte, dann umarmte sie mich mit ihren warmen Worten so sehr, dass ich mir die eine oder andere Träne aus dem Augenwinkel wischen musste. Ja, das klingt nun schnulzig, aber dieses fabelhafte Debüt hat mich einfach berührt. Nicht nur das Thema an sich, sondern vor allem Sarahs Art zu formulieren. Man merkt ihr einfach an, dass sie selbst eine große Buchliebhaberin ist. Ich weiß noch, wie sehr ich mich gestern an einer bestimmten Stelle für sie gefreut habe und eben jene Rührung in mir aufstieg. Doch Sarahs Story machte mich auch sehr nachdenklich.

Stigmatisierung

Epilepsie wurde vor bereits im 16. Jahrhundert erstmalig diagnostiziert. Viele Menschen kennen vielleicht das Bild eines Gewitters im Kopf, doch bis heute wissen viele nicht, was genau im Gehirn eines Epileptikers während eines Anfalls passiert. Auch ich erlebe oft genug, mit welchen Vorurteilen Menschen jemandem begegnen, dem man seine Erkrankung vielleicht nicht sofort auf den ersten Blick ansieht. In vielen Köpfen formt sich bereits Sekunden, nachdem man das jeweilige Kind beim Namen genannt hat, eine geballte Ladung Vorurteile und Schubladendenken. Als ob man einen Stempel auf die Stirn gedrückt bekommt – kein schönes Gefühl, das allerhöchstens dazu führt, dass sich Betroffene mehr und mehr in sich selbst zurückziehen. Weltweit leben viele Millionen Menschen mit Epilepsie oder vergleichbar stigmatisierten Erkrankungen und hoffen darauf, einfach ein ganz normales, selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Zuversicht & Lebensfreude

Normalerweise kann ich mich nicht auf das Lesen konzentrieren, wenn die Geräuschkulisse um mich herum den Lautstärkepegel einer Kindergartentruppe annimmt. Doch gestern blendete ich meine Umgebung völlig aus, Stimmen erklangen nur wie durch Watte gedämpft oder drangen erst gar nicht mehr zu mir durch. Es gab nur mich, das Buch und diese so lebendig wiedergegebene Geschichte einer Person, die ich zu meinem Bedauern nicht persönlich kenne, doch in diesen sechs Stunden – zumindest ansatzweise – meine, ein wenig kennengelernt zu haben. Diese junge Frau weiß, wie man lebendig schreibt, den Leser an der Hand nimmt und einfach mit sich zieht. Widerstandslos.

Ich träume so lange davon. Aber meine Träume können nur dann wahr werden, wenn ich sie nach dem Aufwachen mit in den Tag nehme und sie lebe. – Seite 192

Sarah schreibt über ihre Krankheit, die mit ihrer Epilepsie verbundenen Vorverurteilungen ihrer Mitmenschen, ihren Alltag und seine Tücken, aber auch über Menschen, mit deren Hilfe sie überhaupt erst ein selbstständiges Leben führen kann. Sie schreibt über die Liebe und bedingungslose Freundschaft eines kleinen Tieres, das ihr sogar schon mehrmals das Leben gerettet hat. Dabei verwischt sie die Grenze zwischen tatsächlich gelebter Realität und ausschmückender Fiktion so geschickt, dass ich am Ende das Gefühl hatte, etwas über sie als Menschen erfahren zu haben, ohne dass Sarah ihr gesamtes Privatleben nackt vor mir ausbreiten musste. Am Ende des Buches angekommen, nahm ich mir ganz fest vor, dass ich zum Einen unbedingt mal Schweden und (wieder einmal meinen Geburtstort) München besuchen muss und zum Anderen den Freitagabend zu meinem ganz persönlichen Myskväll (schwedisch, dt. “Müßigabend”) beziehungsweise Fredagsmys (schwedisch, dt. “Freitagsmuße”) zu erklären.

Ein Mutmachbuch.

Schlussendlich konnte ich für mich selbst mitnehmen, dass es ok ist, hinzufallen, wenn man danach wieder aufsteht, sein Krönchen gerade rückt und weiter seinen Weg bestreitet, wie steinig er auch sein mag. Sarah meistert ihr Leben mit viel Zuversicht, und einer großen Portion Einhornglitzer, bunter Luftballons und schillernden Seifenblasen. Gleichzeitig regt ihre Geschichte sehr zum Nachdenken an, denn der Mensch neigt sehr schnell zu Schubladendenken und Vorurteilen. Es ist erschreckend, wie sehr dieses Krankheitsbild selbst im 21. Jahrhundert für eine regelrechte Stigmatisierung der Erkrankten sorgt – von Ausgrenzung aus dem Freundschaftskreis bis über weitreichende berufliche Konsequenzen. Sarahs Buch sorgt hoffentlich dafür, dass Betroffenen Mut gemacht wird, über ihre Krankheit zu sprechen und allen anderen Menschen, die bisher nur wage Vermutungen über das Leben mit diesem chronischen Leiden haben, die Augen zu öffnen. Ich kann euch nur wärmstens ans Herz legen, dieses starke, vor Zuversicht strahlende Debüt zu lesen und zu verinnerlichen.

Mein Fazit: Lest dieses Buch. Punkt. Und wenn ihr noch nie ein Sachbuch oder eine Biografie gelesen haben solltet, dann solltet ihr jetzt genau in diesem Augenblick damit anfangen. Mehr gibt es zu diesem fabelhaften Werk dieser jungen, starken Frau einfach nicht zu sagen. Danke liebe Sarah, dass du mit deinem Debüt so farbenfroh und leuchtend in mein Leben gerauscht bist und damit auch mir ein Stückchen vom Zuversichtskuchen abgegeben hast.