Rezension

Ein rätselhaftes Tier

Das Evangelium der Aale - Patrik Svensson

Das Evangelium der Aale
von Patrik Svensson

Bewertet mit 4 Sternen

In „Das Evangelium der Aale“ beschreibt der schwedische Journalist Patrik Svensson die Kindheitserinnerungen an seinen Vater und wie diese zusammen Aale angelten. Gleichzeitig verbindet er seine eigene Geschichte mit der des Aales, eines rätselhaften und unbekannten Tiers.

Lange habe ich keinen Roman mehr gelesen, der mir so viel beigebracht hat. Vor der Lektüre wusste ich so gut wie nichts über Aale. Das hat sich nun geändert, ist der Aal doch ein unglaublich faszinierendes Tier, das jedoch auch heute noch die Wissenschaft vor einige Rätsel stellt. Bereits vor über 2000 Jahren befasste sich Aristoteles mit dem mysteriösen Tier, es folgten Untersuchen durch die bekannten Psychologen Sigmund Freud und von vielen weiteren Wissenschaftler. Zwar gelang es, herauszufinden, wo der Aal sich fortpflanzt, viele weitere Aspekte seines Lebens sind jedoch weiterhin ungeklärt. Nicht nur die Geschichte des Aales selber ist unglaublich faszinierend, sondern auch wie es sein kann, dass der Mensch trotz seiner Fortschrittlichkeit immer noch so wenig weiß.

„Das Evangelium der Aale“ ist nicht nur sehr interessant zu lesen, sondern auch ziemlich traurig: Auch das Aussterben von Tieren – welches auch dem Aal droht, wird eindringlich thematisiert. Schuld ist (natürlich) der Mensch und sein Eingreifen in die Natur. Klimawandeln, Pestizide und Wasserkraftwerke bedrohen die Existenz dieses so faszinierenden Tieres, welches vermutlich seit Millionen Jahren auf der Erde lebt.

Die parallele Geschichte befasst sich mit den Kindheitserinnerungen des Ich-Erzählers, wie er gemeinsam mit seinem Vater Aale auf verschiedene Weise angelte. Der Vater ist ein stiller, in sich gekehrter Mann, der keine Gefühle zeigt. Das Angeln bringt die beiden jedoch näher aneinander und ist seine Art, seinem Sohn Zuneigung zu zeigen. Allerdings bleibt der Vater-Sohn-Erzählstrang sehr blass und wird recht unemotional erzählt. Über die Personen erfährt man nur wenig, es gibt keine Konflikte und sie bleiben alle namenlos. Stattdessen stehen hier Naturbeschreibungen und die Technik des Aalangelns im Vordergrund. Das ist sprachlich zwar sehr gelungen, jedoch wird hier Potential verschenkt. Ich hätte gerne mehr über die Beziehung von Vater und Sohn, das Familienleben oder andere Aspekte erfahren. 

Patrik Svenssons Erstling ist ein sehr außergewöhnliches Buch, wobei ich hier eigentlich von dem Begriff Roman Abstand nehmen würde. Etwa zwei Drittel nimmt nämliche nicht die Vater-Sohn-Beziehung ein, sondern eben die Natur- und Kulturgeschichte des Aales. Hieran schließt sich auch ein weiterer kleiner Kritikpunkt an: Die Vorgehensweise, die Geschichte des Aales mit der eigenen zu verweben, ist zwar im Großen und Ganzen gelungen, jedoch sind die Handlungsstränge nicht ausgewogen: Die Vater-Sohn-Beziehung beeindruckt nur wenig und bleibt sehr oberflächlich.

Ich kann Patrik Svensson Erstling allen empfehlen, die gerne mal etwas anderes lesen möchten, sich für Wissenschaft interessieren und sich gerne weiterbilden möchten. Trotz kleiner Schwächen ist „Das Evangelium der Aale“ eine gelungene und faszinierende Mischung aus Roman, kulturwissenschaftlicher Abhandlung und Meeresbiologie.