Rezension

Ein reflektierter Einblick in eine Sekte...

Goodbye, Jehova! - Misha Anouk

Goodbye, Jehova!
von Misha Anouk

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt

Zeugen Jehovas kennen die meisten von uns nur aus der Fußgängerzone oder als lästigen Besuch an der Tür - häufig etwas bieder, vor allem aber harmlos. Misha Anouk weiß, wie es auf der anderen Seite aussieht. Er wuchs in einer Zeugen-Jehovas-Familie auf und lief im Predigtdienst von Haustür zu Haustür - stets hoffend, keine Mittschüler zu treffen.
Mit erfrischendem Humor erzählt er von einer Kindheit ohne Wehnachten, aber mit Gesitern, von ersten Zweifeln und Weltuntergängen, die auf sich warten lassen.
In seinem mitreißenden Insiderbericht analysiert Misha Anouk die emotionale Verführung der Zeugen Jehovas, beschreibt Organisation und Struktur der Wachtturm-Gesellschaft und erzählt, weshalb er schließlich eine Sünde beging, um die bekannteste Sekte der Welt zu verlassen.

Wie über jede Glaubensgemeinschaft gibt es auch über die Zeugen Jehovas etliche Gerüchte. Aber welche sind davon wirklich wahr?
Sekten reizen mich im Allgemeinen irgendwie sehr und ziehen mich aufgrund der Begeisterung so vieler Menschen immer wieder in ihren Bann. Dennoch ist mir auch bewusst, wie gefährlich Sekten sein können. Angeblich. Jedenfalls wird einem das von der frühen Kindheit eingetrichtert.
Ich selbst wollte aber mehr über die Zeugen Jehovas wissen. Dabei wollte ich mir nicht nur theoretisches Wissen aneignen wie z.B. durch irgendwelche Aufklärungsbehörden, sondern ich wollte Erfahrungsberichte. Und genau einen solchen bekam ich durch dieses Buch.

Zugegeben - die Informationen schockierten mich teils sehr. Nie und nimmer hätte ich mit einem solchen emotionalen und sozialen Druck in einer solch friedliebenden Gemeinschaft gerechnet. Hin und wieder wurde der Autor sehr emotional, wenn er sich an seine eigene Vergangenheit erinnerte. Dementsprechend involviert war man in das Geschehen und betrachtete es nicht sofort mit totaler Skepsis.
Man litt förmlich mit Misha Anouk und konnte nicht glauben, wie es möglich sein kann, dass sich so eine Organisation so lange durchsetzen und behaupten kann.
Hier werden nicht nur irgendwelche Gerüchte aufgestellt. Alles wird mit Artikeln aus der Wachtturm-Gesellschaft untermauert, wodurch das Buch noch mehr an Authentizität gewinnt. Ich hatte zudem auch das große Glück an einer Leserunde mit dem Autor teilzunehmen. Dort waren auch andere Zeugen Jehovas vorzufinden, die aber - genauso wie der Autor selbst - inzwischen ausgetreten sind. Dies war äußerst hilfreich für mein Verhältnis zu dem Buch, da diese die dort überlieferten Informationen unterstützen konnte. So erschien mir alles auch glaubwürdiger.

Mein einziges Problem mit diesen Auszügen von den Wachtturm-Ausgaben war aber eben, dass das Buch manchmal zu komplex wurde. Natürlich sind die Dinge leicht verständlich geschrieben - schließlich soll jeder "Idiot" sie verstehen und nicht falsch interpretieren können - aber dennoch machte es das Lesen zugleich auch anstrengender. Ich selbst musste das Buch in mehreren Etappen lesen, weil es mir von den Informationen her einfach zu viel wurde.

Das Buch hat mich zugleich aber auch einfach aufgewühlt - anders kann ich es nicht beschreiben. Misha Anouk lässt den Leser sehr nah an seine Vergangenheit ran, weshalb dieser auch nicht die Augen verschließen kann vor den schrecklichen Geschehnissen in dieser Sekte.
Dennoch hat er zugleich einen so kessen Humor drauf, dass man sich beim Lesen zugleich auch gut unterhalten fühlte.

Alles in allem ist dies ein sehr lesenswerter Einblick in die Welt der Zeugen Jehovas. Mir selbst hat es vor allem gefallen, dass nicht die Mitglieder verurteilt wurden für ihr Handeln, sondern vor allem die höchsten Köpfe dieser Organisation.
Denn zumindest zum Ende hin gelingt es dem Autor, inneren Frieden mit dieser Sekte zu schließen. Dieses Buch ist also kein Rachefeldzug gegen eine Sekte. Es werden sowohl positive als auch negative Aspekte dargestellt. Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen, der sich näher mit den Zeugen Jehovas befassen will.
Aber Vorsicht: dieses Buch ist harter Brocken - vor allem in emotionaler Hinsicht!