Rezension

Ein Reiseführer der etwas anderen Art

Schlaflos in Seoul - Vera Hohleiter

Schlaflos in Seoul
von Vera Hohleiter

Bewertet mit 4 Sternen

"Warum eigentlich Korea? [...] Ich kann nicht behaupten, dass Korea mein Kindheitstraum war... Wenn mir vor fünf Jahren jemand gesagt hätte, dass ich später in Korea leben würde, hätte ich es vermutlich nicht geglaubt. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich wegen eines schönen, aber launenhaften jungen Koreaners meinen Job, meine Wohnung und meine Freunde in Berlin zurücklassen würde. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich jemals die koreanische Sprache gut genug lernen würde, um mich zu unterhalten, geschweige denn in einer Fernsehshow aufzutreten. Ich hätte auch nicht geglaubt, dass es ein Land gibt, das einen trotz intensiver Sprach- und Kulturstudien täglich verblüfft und einem manchmal das Gefühl gibt, es nie wirklich zu verstehen."

Für ihre Diplomarbeit verbringt die Autorin eine Menge Zeit in der Berliner Staatsbibliothek am Potsdamer Platz. Über Korea wusste sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als jeder durchschnittliche Deutsche aus den Medien. Als ihr eine junge Asiatin einen Fragebogen in die Hand drückt, eine Umfrage zum Image Koreas im Ausland, setzt sich Korea als Gedanke in ihrem Kopf fest. Warum eigentlich nicht Korea? Eh sie sich's versieht, sucht sie sich über eine Vermittlung einen Job für den Sommer, blättert in koreanischen Reiseführern und packte schließlich ihre Koffer. Doch statt wie geplant nach einem Monat zurückzukehren und Korea hinter sich zu lassen, beschließt sie - aus Liebe zu einem jungen Koreaner - ihren Aufenthalt vorerst um ein ganzes Jahr zu verlängern, bricht all ihre Zelte in Deutschland ab und findet  sich, ausschließlich mit einem 20 kg schweren Koffer bestückt, in einem Flugzeug nach Seoul wieder.

Hier beginnt das eigentliche Abenteuer der Autorin, die sich im Alltag ständig mit sprachlichen und kulturellen Barrieren konfrontiert sieht. Der Konflikt zwischen den Generationen (der technikaffinen Jugend und den auf ihre Traditionen pochenden Alten) , die Skepsis der Koreaner gegenüber Fremden (bis hin zu unverhohlenem Rassismus), Intoleranz gegenüber Andersartigkeit oder dem "Nicht angepasst sein" und der übersteigerte koreanische Nationalismus führen nicht selten zu Missverständnissen oder stellen sie vor unüberwindbare Hürden. So eckt sie beispielsweise mit ihrem Vegetarismus immer wieder bei den Koreanern an, in deren Verständnis der Fleischkonsum zu einem geselligen Abend unter Freunden dazu gehört, und wird als zickig und unangepasst abgestempelt.

Vera Hohleiter schreibt spritzig, schwungvoll und selbstironisch über die manchmal kuriosen, manchmal anstrengenden Begebenheiten im Zusammenleben mit Koreanern und dem Gefühl eine Fremde in einem fremden Land zu sein. Ob von rücksichtslosen Schubsern in der U-Bahn, despotischen Eltern oder tägliche, obligatorische Trinkgelage - Hohleiter schildert ungeschönt alle Facetten Koreas und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Ihre Anekdoten sind gleichsam belustigend, tiefgründig, traurig und manchmal auch ekelerregend und bringen uns so dieses schrille, exotische, laute, bunte Land unwillkürlich näher. Ein Reiseführer der etwas anderen Art, aber auch für jeden, der etwas mehr über Südkorea erfahren möchte.