Rezension

Ein Roman der Gegensätze

1984
von George Orwell

Bewertet mit 4 Sternen

George Orwell schrieb 1984 eine Dystopie, die eine böse Zukunft zwar übertrieben darstellte, jedoch auch einiges vorwegnahm, was heute schon Realität ist.

Winston Smith lebt im Gebiet Ozeaniens, eine der drei Weltmächte, die durch eine totalitäre Regierung die Einwohner kontrolliert. Ständige Überwachung durch Teleschirme, tägliche Hassausbrüche gegen den Staatsfeind und der kollektive Gedanke ist Alltag in seinem Leben. Aber Winston denkt anders als alle anderen, die von der Partei kontrolliert werden. Die Gefahr besteht darin, dass die Partei revolutionäre Gedanken unterdrückt, sodass sie ständig die Macht besitzt.

Der Leser begleitet demnach Winston Smith auf ein gefährliches Abenteuer, das startet als er Gedanken gegen die Regierung hegt. Winston besteht auf Individualität, die Partei auf Kollektivität. Als Winston Julia kennenlernt, die ebenso denkt wie er, keimt neue Hoffnung in ihm auf. Mit ihrer Hilfe versucht er etwas zu verändern, das ist aber viel schwieriger als erhofft.

 

Der Inhalt ist klar definiert: Winston versucht gegen die Partei anzukämpfen, in einer Welt in der der einzelne Mensch nichts wert ist. Die Thematik ist dafür viel schwieriger zu begreifen. Orwell zeigt Sozialkritik, vermischt Fiktion mit Realität und entwirft eine ins Detail geplante Gesellschaft, mit neuer Sprache, neuer Ideologie bzw. Weltanschauung und neuer Geschichte, sodass ich als Leser das Ausmaß des Romans beim ersten Lesen kaum begreifen konnte. Alleine die durch ihn erdachte Sprache „Neusprech“, welche die gewöhnliche Sprache im Jahr 1984 ablösen soll, ist so kompliziert, dass erst die 11. Auflage der Sprache vollkommen ist. Diese hat sogar eine eigenständige von der Handlung des Romans abgelöste Erklärung am Ende des Buches. Neusprech soll die Gedanken der Menschen kontrollieren. Da Sprache das wichtigste Mittel der Menschen ist – zur Kommunikation, Artikulation, Gefühlsausdrückung – können die Menschen durch Neusprech nur noch das zum Ausdruck bringen, was die Partei will. Alles andere existiert in der Sprache nicht, wurde reduziert und kann nicht mehr vermittelt werden. Begriffe wie „Doppeldenk“, „Gedankendelikt“ oder Ähnliche waren für mich schwer zu begreifen, da sie auf einem komplett anderen Konzept fundieren, als das, welches mir vertraut ist. Deshalb war es so erstaunlich in eine Gesellschaft einzutauchen, die auf komplett andere, fremde und unvertretbare Grundprinzipien aufgebaut ist und trotzdem funktioniert.

George Orwell beschreibt die Welt in 1984 so bildhaft und präzise, dass ich manchmal dachte, die Handlungen würden so bzw. könnten so wirklich passieren. Das Gelesene hat sich sehr echt angefühlt. Der Schreibstil war für mich also perfekt, um die Handlung selbst zu unterstützen.

Im Kontext des zweiten Weltkrieges und unter Rücksichtnahme auf verschiedene Regimes hat George Orwell mit „1984“ einen Roman geschaffen, der an die Menschheit appellieren soll. Indem er überspitzt eine Regierung darstellt, die totalitär die Menschen unterdrückt und in ihrer Individualität massiv einschränkt, möchte er wahrscheinlich jedem Leser klarmachen, dass es – selbst wenn es unwahrscheinlich ist – eine solche Welt entstehen kann. Einige Grundzüge dieser Herrschaft sind in ähnlichem Maße in der Geschichte oder der Gegenwart zu finden. Meiner Meinung nach sollte jeder 1984 zumindest einmal lesen. Mir selbst hat es gezeigt, dass ich glücklich sein kann und so eine Welt nicht existiert. Ich lebe in einem Land mit Meinungsfreiheit, ohne vollkommene Gedankenkontrolle oder Gesellschaftshierarchie.