Rezension

Ein Roman gegen Rassismus von "beiden" Seiten

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass - Alexi Zentner

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass
von Alexi Zentner

Bewertet mit 5 Sternen

Jesup ist 17 und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Er versucht, trotz seiner Herkunft durch Fleiß in der Schule etwas aus sich zu machen und hofft auf ein Sportstipendium. In der Stadt, in der er aufwächst, hat er es aber besonders schwer, da ihn jeder aufgrund seiner Familie sofort in eine Schublade steckt: Sein Bruder und sein Stiefvater sind im Gefängnis, weil sein Bruder zwei Farbige erschlagen hat und jeder weiß, dass seine Familie der Heiligen Kirche des Weißen Amerikas angehören. In dieser Kirche wird neben der christlichen Lehre auch die Überlegenheit der weißen Rasse gepredigt. Jesup distanziert sich zwar innerlich von diesen Überlegungen, hat es aber aus Loyalität seiner Familie gegenüber schwer, sich komplett davon loszusagen, obwohl er sich in ein schwarzes Mädchen verliebt hat. Als sein Stiefvater aus dem Gefängnis entlassen wird und sich gleichzeitig ein verhängnisvoller Unfall ereignet, muss sich Jesup mit seiner Rolle und seinen Überzeugungen auseinandersetzen.

Dieser Roman schildert die Rassenproblematik in der USA aus einer eher ungewöhnlichen Perspektive: Er ist aus Sicht eines Weißen geschrieben, der sich aber als Verlierer der Gesellschaft sieht und die Schuld bei den Schwarzen sucht(e), der sich unterdrückt und verfolgt fühlt, sodass man während des Lesens vor allem zu Beginn die „Rollen“ genauso gut vertauschen könnte. Es ist aber auch ein Roman, der den Leser die Zerrissenheit zwischen Familie und Erziehung auf der einen und dem eigenen Moralempfinden auf der anderen Seite mitfühlen lässt. Er zeigt auf, wie schnell Hass und Neid entsteht, wenn sich Menschen von der Gesellschaft abgehängt und ausgeschlossen fühlen und wie leicht sich dieser Hass generalisieren und auf komplette Menschengruppen übertragen lässt.  Und er lässt uns Leser teilhaben an einer Gruppendynamik, in der die Wahrheit und die Tatsachen in den Hintergrund treten, solange sich etwas für „die Sache“ instrumentalisieren lässt.

Zu Beginn zieht sich die Geschichte etwas in die Länge. Jesup wird durch seinen Sport, Football, charakterisiert, dabei werden Spiele und Spielzüge sehr ausführlich dargelegt und sind etwas langatmig (vielleicht auch bloß für jemanden, der mit dem Sport wenig anfangen kann…), dafür kommt für mich die Beziehung zwischen Jesup und seiner Freundin zu kurz. Es wird nicht erklärt, wie es jemandem, der durch seinen Familienhintergrund eigentlich voller Vorurteile Schwarzen gegenüber ist, plötzlich gelingt, über diese hinwegzusehen, und diesem Mädchen eine Chance zu geben, zu zeigen, was für ein Mensch in ihr steckt. Später im Buch wird die Beziehung dann ganz gut beschrieben: Jesup liebt das Mädchen und ihm scheint die Hautfarbe so egal zu sein, dass sie nur noch durch Freunde von ihm erwähnt wird, von ihm selber aber nie. Dieses Gefühl kommt beim Lesen auch an.

Eindrücklich ist auch die Zerrissenheit dem Stiefvater gegenüber beschrieben: Wie er ihn einerseits als liebevollen, fürsorglichen Vater beschreibt, der Wert auf Disziplin legt und der Familie durch Regeln und Fleiß eine Richtung vorgibt, diesem Eindruck aber gleichzeitig die nationalsozialistischen und rassistischen Tätowierungen und die Mitgliedschaft in der Kirche des Weißen Amerikas gegenüber stellt. Der Stiefvater gibt sich nach dem Gefängnis nachdenklich und zum Teil geläutert und wir als Leser wissen nicht, wie er vor seiner Haft war, aber das Verhalten im Roman lässt ihn wie einen Mitläufer wirken. Das Verhältnis zum Bruder wird nicht so genau beleuchtet. Es wird auch nie abschließend geklärt, ob es sich bei dem Mord an den beiden Schwarzen tatsächlich um Notwehr handelte, wie vom Bruder behauptet.

Kritikpunkt für mich ist das Ende des Buches: Zu viel, zu kitschig, zu versöhnlich. Es nimmt dem Buch etwas die Nachdrücklichkeit.

Insgesamt ein Buch, das dazu anregt, über die Rolle der Erziehung, der Vorbilder nachzudenken, der aufzeigt, wie leicht man Opfer seiner Umstände wird und dass es nur Verlierer gibt, sobald man Menschen in Schubladen steckt. Ein Roman auch, der gerade in einer Zeit, in der die Medien und zum Teil auch die Gesellschaft vermehrt dazu neigt, Menschen in Gruppen einzuteilen und dadurch zu generalisieren und zu „entmenschlichen“ deutlich macht, wie wichtig es ist, Menschen als das zu sehen, was sie sind: Individuen, ein jeder zwar geprägt durch sein Umfeld, aber nicht darauf reduziert.