Rezension

Ein Roman wie eine wärmende geblümte Sofadecke

Marigolds Töchter -

Marigolds Töchter
von Julia Woolf

Bewertet mit 4 Sternen

„Was ist falsch am Jetzt?“

Marigold führt einen kleinen Lebensmittelladen in einem englischen Dorf, bei den Dorfbewohnern ist die ältere Frau sehr beliebt. Sie lebt mit ihrem Mann Dennis, ihrer Mutter Nan und Tochter Suze in einem Häuschen am Dorfrand. Als Tochter Daisys langjährige Beziehung mit dem Italiener Luca zerbricht, kehrt auch diese nach Hause in den Schoß der Familie zurück. Für so viele Bewohner ist das Haus eigentlich zu klein. Doch bald schon ist der beengte Platz nicht das einzige Problem. Marigold, auf die sich alle stets verlassen können, wird immer vergesslicher.... 

 

Julia Woolf schreibt klar und gut verständlich, der Roman liest sich flüssig. Durch die kurzen Sätze und die einfachen Satzstrukturen wirkt der Schreibstil schlicht, stellenweise fast naiv und einfältig. Dies passt recht gut, sowohl zu Marigolds einfacher, unkomplizierter Persönlichkeit als auch zu dem bodenständigen Dorf.  

 

Im Mittelpunkt des Romans steht die liebenswerte, herzensgute Marigold, für ihre Familie und die Dorfgemeinschaft verlässlicher Fels in der Brandung. Sie ist durch ihr freundliches, positives Wesen bei allen beliebt. Dass ausgerechnet sie mit gesundheitlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, finden alle Beteiligten tragisch und ungerecht. Marigold ergänzt sich perfekt mit ihrem Ehemann Dennis, auch er ist ein unkomplizierter, positiver Charakter, der zufrieden in sich ruht und seine Frau über alles liebt. Probleme versucht er lieber zu verdrängen. 

Mir hat Marigolds Mutter Nan sehr gut gefallen. Über ihr ewiges Genörgel, das sie eigentlich gar nicht so meint, und ihre sehr direkte Art musste ich mich oft amüsieren. Nans raues, harsches Verhalten nach außen steht im Widerspruch zu ihrem weichen inneren Kern. Nans Charakter finde ich glaubwürdig, mir sind auch im echten Leben schon ältere Damen ihres Kalibers begegnet. Im Gegensatz zu ihrer Großmutter bleiben Marigolds Töchter, vor allem Daisy, blass und langweilig. Dass bestimmte Charakterzuschreibungen ständig etwas plump wiederholt werden - so wird Suze mehrmals unverblümt als „egoistisch“ beschrieben - hat mich etwas gestört. Zum Glück schafft es Suze noch, alle zu überraschen.

Im Dorf leben zudem noch einige sehr spezielle, skurrile, aber auch klischeebeladene Charaktere, die Tratschtante Eileen zum Beispiel oder der gegen Maulwürfe kämpfende Commodore.

 

Gerade in schwierigen Zeiten, in denen uns gemeinsame Anstrengungen immer mehr entzweien, in denen Blockwartmentalität wieder weitverbreitet ist, Nachbarschaftshilfe mitunter mit Kontrolle der Regeleinhaltung gleichgesetzt wird und zum eigenen Schutz angeraten ist, sich selbst und die Mitmenschen als potentiell infektiös zu betrachten, ist Julia Woolfs Geschichte eine absolute Wohltat für die Seele. Ein ganzes Dorf hilft, rückt zusammen, versöhnt sich, konzentriert sich auf das Wesentliche, um einem Mitglied der Gemeinschaft zu helfen. Ein bisschen spießig zweifelsohne, aber genau die Art von Spießigkeit, nach der ich mich manchmal sehne, die altmodische geblümte Sofadecke, die angenehme Wärme verbreitet . Auch wenn die Handlung ein wenig kitschig anmutet, ist der Roman jetzt genau das Richtige. Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt, Solidarität das sind Werte, die immer goldrichtig sind und in schwierigen Situationen noch wichtiger werden. 

Marigold hat zudem Recht, wenn sie immer wieder fragt: „Was ist falsch am Jetzt?“. Sorgen können wir uns immer machen, die Zukunft haben wir nicht in der Hand. Aber das Jetzt lässt sich in der Regel leichter schön gestalten und genießen, es ist real.

Ein trotz aller Traurigkeit zuversichtlicher, vielleicht etwas naiver und seichter, aber wunderschöner Roman, der uns daran erinnert, was eigentlich wichtig ist und was Nächstenliebe, Solidarität, Liebe und Zusammenhalt bewirken können.