Rezension

Ein Satz wie ein vorwegnehmendes Urteil: "Vielleicht konnte ich ihn mit langen Wörtern und etwas Lobhudelei schwindelig reden."

Die stummen Wächter von Lockwood Manor, 1 Audio-CD, MP3 - Jane Healey

Die stummen Wächter von Lockwood Manor, 1 Audio-CD, MP3
von Jane Healey

Man nehme die angespannt-ängstliche Atmosphäre des zweiten Weltkriegs, ein altes, englisches Herrenhaus, eine Museumssammlung ausgestopfter Tiere, einen arrogant-chauvinistischen Hausherren, eine engagiert-eigensinnige Kuratorin, eine elfenhafte, nervöse Tochter und den Spuk einer weißen Frau und schon hat man alles Nötige beisammen für eine spannend-schaurige Geschichte voll mit Rätseln, Intrigen und Misstrauen - möchte man zumindest meinen. Denn leider schaffte es die Autorin - trotz dieser hervorragend gewählten Komponenten - nicht, eine stringente, dem Klappentext gerecht werdende Geschichte zu erzählen.

Der Roman startet noch recht atmosphärisch, mit einer sympathischen, rationalen sowie - für die Zeit und Umstände - durchaus starken Hauptfigur, der ihre Arbeit über alles geht und deren Leidenschaft für die Säugetiersammlung des Natural History Museum beinahe an Verbissenheit grenzt – doch das macht sie eigentlich gerade liebenswert: Eine Frau, die sich für mehr als nur eine gute Partie begeistern kann und die deswegen eigentlich schon aus Prinzip an dem alten Herrenhaus und seinen Bewohnern, die einen manchmal fast in das letzte Jahrhundert zurück katapultieren, scheitern muss. Aus ihrer, Hettys, Sicht lernt der Leser das abgeschiedene Lockwood Manor mit seinen nahezu geisterhaft leeren Räumen und dem schwindenden Personal kennen und über dem außerdem noch die erst kürzlich erlittene Tragödie – der Tod der Hausherrin und ihrer Schwiegermutter – liegt. Während Hetty nur Augen für ›ihre‹ Tiere hat, Listen abhakt und Plänen folgt, hält der Spuk ganz allmählich und hauptsächlich durch Lucy, der Tochter Major Lockwoods, Einzug in den Roman, kurze Einblicke in ihre Gedanken und Träume zeigen dem Leser tiefverwurzelte Ängste und Ungereimtheiten, die sich zwischen den Mauern von Lockwood Manor bewegen und die auch Hetty allzu schnell erfassen: Alpträume, sich bewegende und verdichtende Schatten wie Augen, die einen aus der Dunkelheit heraus beobachten, verschwundene Tiere – dadurch entfaltet sich ganz unterschwellig und ohne Hast eine etwas unheimliche Atmosphäre, ein Gefühl, das fast als nächtliches Hirngespinst abgetan werden könnte, wenn man nicht auch am helllichten Tag noch Spuren davon finden würde. Aber statt diesem Pfad weiter zu folgen, die Spannung weiter aufzubauen, die Zerrissenheit der beiden weiblichen Hauptfiguren, ob der Ereignisse, zu beleuchten und ihnen dadurch Tiefe zu verleihen, verliert die Autorin nach gut einem Drittel zunehmend den Fokus. Während der ›Spuk‹ lediglich noch durch die immer gleichen Merkwürdigkeiten thematisiert wird, konzentriert sich fast das komplette zweite Drittel des Romans allein auf die Beziehung der beiden Frauen und zerfasert die Geschichte auch aufgrund der viel zu vielen Füllsätze zu einem oberflächlichen Liebes-, Gesellschafts- und Zeitroman. Von den versprochenen unheimlichen Geschehnissen und Geheimnissen bleibt da fast nichts mehr übrig; erst das Ende versucht dieses Versäumnis zu kompensieren – mit zu vielen schrecklichen Enthüllungen, radikalen Lösungen und einer Portion unerklärlichem, plötzlichem Aktionismus. Es mag immerhin noch etwas die Geschichte zu retten, insgesamt entspricht es aber dem insgesamt enttäuschenden Roman. Vielleicht lag es an meiner falschen Erwartungshaltung, vielleicht hat mich die Handlung dieses Mal einfach auf dem falschen Fuß erwischt, ich für meinen Teil kann den Roman aber nur bedingt und unter Vorbehalt weiterempfehlen.