Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Ein Scheitern auf ganzer Linie

Kress, 5 Audio-CDs
von Aljoscha Brell

Bewertet mit 3 Sternen

5 Audio- CDs – Spieldauer: ca. 375 Min.
Erschienen 2015 - audio media verlag

Klapptext: Die Welt ist eine Zumutung, jedenfalls für Kress. Wohin er sieht: Mittelmaß. Einzig die Universität ist ein erträglicher Ort, dort studiert Kress Goethe, Kleist, Kant, eben was im 19. Jahrhundert Rang und Namen hatte. Nach dieser glanzvollen Epoche ging es steil bergab, für Kress bis nach Berlin-Neukölln. Dort lebt er in einer unsanierten Hinterhofwohnung und führt philosophische Gespräche mit dem Tauberich Gieshübler. Doch dann geschieht etwas Unvorher gesehenes: Kress verliebt sich. Und muss auf einmal mitmachen, was seine Altersgenossen lieben – Partys, Small Talk, Ausflüge. Sein Scheitern ist grandios ...

Sprecher: Max Felder, geboren 1988 in München, wurde als Synchronsprecher von Ron Weasley in den „Harry Potter“-Verfilmungen bekannt. Er ist außerdem die deutsche Stimme von Taylor Lautner, dem Werwolf Jacob Black aus den „Twilight“-Verfilmungen.

Ich habe mich schwer getan, mit der äußerst sperrigen Hauptfigur des Kress. Man kennt sie, diese IT-Nerds ohne soziale Kompetenz und Empathie. Kress hingegen ist Student der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin, ein Geisteswissenschaftler also. Und er ist schlimmer. Gänzlich ohne soziale Kontakte lebt er in seiner eigenen Welt, fühlt sich allen anderen überlegen und kreist eigentlich nur um sich selbst. Sein einziger „Freund“ ist eine Taube, die ihn gelegentlich auf dem Fensterbrett besucht.

Das ändert sich, als er sich verliebt. Kann man das eigentlich so nennen? Ein so selbstverliebter Mensch kann nicht lieben, er entwickelt stattdessen eine krankhafte Obsession, die weit über das gesunde Maß hinausgeht.

Alle Versuche, sich an die Mitstudenten und seine Angebetete anzunähern, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Er besitzt keine Antennen für die Befindlichkeiten der anderen. Und so verletzt es ihn auch zutiefst, die Außenstehenden, allen voran sein Professor, ihn ganz anders wahrnehmen, als er sich selbst. Nicht als Genie, sondern als aufgeblasenen Wichtigtuer ohne Esprit und Brillanz.

Warum ist er so geworden? Niemand kommt so auf die Welt. Am Rande, fast beiläufig, erfährt man, dass seine Mutter Alkoholikerin war und früh verstorben ist. Aber reicht das als Erklärung? Mir nicht. Ich hätte mehr Hintergrundinformation gebraucht, um Kress zu verstehen und zu mögen. Mich hat der blasierte Kerl einfach nur genervt. Ein klein wenig erfährt man über ihn, durch seine Beziehung zu „Gieshübler“, der Taube. Und es macht einen traurig, dass er auch hier völlig versagt.

Wie der Klapptext bereits ankündigt, ein Scheitern auf ganzer Linie. Es ist traurig, es ist nervig, es ist auf keinen Fall komisch und an den Hoffnungsschimmer konnte ich auch nicht glauben. Schon eher an die baldige Einweisung in die Geschlossene oder an einen gepflegten Amoklauf.

Gut und überzeugend gelesen von Max Felder, ist die Hörbuchproduktion durchaus gelungen. Trotzdem kann ich mich der allgemeinen Euphorie nicht anschließen, ich fand es anstrengend mit geringem Unterhaltungswert.