Rezension

Ein Schicksal, das einen mitnimmt, mich aber dennoch nicht immer fesseln konnte.

Die Lotosblüte
von Hwang Sok-Yong

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Wiedergeburt

Sie sank ins Bodenlose. In der Dunkelheit über dem Meeresgrund trieb sie wie auf einem Seidentuch, das in der Strömung auf und ab wallte. Mauerwerk kam in Sicht, und sie schien in die gähnende Öffnung eines Brunnenschachtes hineingesogen zu werden.

Ah! Rettet mich!

Der Schrei kam nicht aus ihrem Mund, er hallte allein in Chongs Kopf wider. Plötzlich hatte sie das Gefühl, mit einem gewaltigen Krachen die Eisschicht am Boden des Tunnels zu durchstoßen. Im gleichen Augenblick zog das Seidentuch sie zurück, das sie zuvor mit sich gerissen hatte. Langsam, aber stetig schwebte es mit ihr nach oben auf die Öffnung zu. Die Steinmauer glitt nun in umgekehrter Richtung immer schneller an ihr vorbei.

 

Eckdaten

Roman

Europa Verlag

24 €

ISBN: 978-3-95890-262-6

492 Seiten + 4 Seiten Glossar

Übersetzung: Ki-Hyang Lee

2019

 

Cover

Es ist einfach nur wunderschön! Diese Farben, dieses idyllische Bild, das traditionelle Gewand – einfach zum Verlieben!

 

Inhalt

Denkt man an ein märchenhaftes Schicksal, so kommt man nicht sofort auf Kurtisanen und Frauenhandel, doch es ist tatsächlich ein alter koreanischer Mythos, der diesem Meisterwerk zugrunde liegt. Darin entführt Hwang Sok-Yong den Leser in das Asien des 19. Jahrhunderts, in eine Welt des Opiumhandels und der Prostitution.

Zunächst als Zweitfrau an einen alten Chinesen verkauft, landet die junge Lenhwa nach dessen Tod als Freudenmädchen in einem Vergnügungstempel. Immer wieder gerät sie in die Hände von Freiern und Menschenhändlern, die sich Lenhwa – betört von ihrer jugendlichen Schönheit – gefügig machen wollen. Doch dann lernt Lenhwa, die Waffen einer Frau zu nutzen, und beginnt, ihren eigenen Weg im Leben zu beschreiten.

Selten ist es einem asiatischen Autor gelungen, das historische Ostasien in all seinen bunten Facetten einzufangen. Hier taucht man ein in diese fremde Welt und nimmt Anteil am Schicksal Lenhwas: ein Roman mit enormer Tiefe, ungemein fesselnd und mit schwindelerregender Leichtigkeit erzählt.

 

Autor

Hwang Sok-Yong, geb. 1943, wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Literaturpreisen ausgezeichnet. Sein Werk ist in Teilen auch in Deutschland bekannt. Während der Militärdiktatur infolge unerlaubter Reisen in den Norden kurzzeitig interniert, gilt er heute als wichtiger Vertreter Koreas und fungierte als Unterhändler seines Landes in Nordkorea.

 

Meinung

Ich wollte dieses Buch unbedingt lesen, als ich den Klappentext bei einer Buchcommunity gelesen hatte. Ich liebe Korea und Japan und dieses Buch vermischte beide Kulturen miteinander, was es für mich nur umso interessanter machte.

Schon bei der Leseprobe habe ich gemerkt, dass die Sprache doch sehr literarisch, poetisch ist, was mich unweigerlich an meine Unilektüren erinnert hat. Normalerweise lese ich eher „seichtere“ Geschichten, wo ich besser abschalten kann, aber Abwechslung muss auch mal sein. ;)

Das Schicksal von Chong Shim bzw. Lenhwa wird in diesem Buch geschildert. Es beginnt im Alter von 15 Jahren und endet mit ihrem Tod.

Chong Shims Leben ändert sich radikal im Alter von 15 Jahren. Sie lebte bei ihrem blinden Vater und war einigermaßen glücklich, bis dieser sich eine neue Frau nahm und damit Chongs Leben änderte. Damals waren es andere Zeiten und Mädchen hatten nicht viele Möglichkeiten, um zu arbeiten oder gar eigenständig Geld zu verdienen. Oftmals gab es nur die Möglichkeit einer guten Hochzeitspartie oder das Leben als Prostituierte, freiwillig oder nicht.

Man kann also schon erahnen, in welche Richtung Chongs Leben gehen wird. Sie wird früh ihrer Identität beraubt und das sogar mehrere Male. Aber nie lässt sie sich unterkriegen und lebt für ihre Werte. Sie lernt, dass Sex auch Macht bedeuten kann und verwendet das zu ihrem Gunsten.

Ihr Leben führt sie an verschiedene Stationen und Länder, aber letztlich kehrt sie immer an den Ort ihrer Wurzeln zurück.

Ein beeindruckender Roman über eine starke und selbstbewusste Frau, die trotz ihres unfreiwilligen Berufes ihr persönliches Glück finden konnte. Wirklich nicht schlecht, auch wenn mich das Buch an einigen Stellen verloren hat und es nicht immer fesselnd war.

 

❤❤❤,5 von ❤ ❤ ❤ ❤ ❤