Rezension

Ein schockierender, aber unheimlich wichtiger Roman!

Du wolltest es doch - Louise O'Neill

Du wolltest es doch
von Louise O'Neill

Bewertet mit 5 Sternen

Als ich beim Durchstöbern der Vorschau des Carlsen Verlags auf DU WOLLTEST ES DOCH gestoßen bin, konnte zuerst das hübsche Cover meine Neugier wecken. Dann las ich mir den Klappentext durch und mir war sofort klar: Dieses Buch wird keine leichte Kost sein. Ich lese allerdings sehr gerne Bücher mit ernsten Themen und da ich das Thema Vergewaltigung für sehr wichtig halte, stand für mich sofort fest, dass ich DU WOLLTEST ES DOCH unbedingt lesen möchte.

 

„Du bist so hübsch!“ Wie sehr es Emma liebt diesen Satz zu hören. Die 18-järhige weiß ganz genau, wie attraktiv sie ist und genießt es auch in vollen Zügen so schön und beliebt zu sein und stets im Mittelpunkt zu stehen. Dass sie sich gerne mit Jungs umgibt und diese mit ihren knappen, aufreizenden Klamotten provoziert, ist bekannt. Eine Party soll ihr Leben auf einen Schlag verändern. Emma trinkt zu viel, wirft Pillen ein, flirtet mit den Jungs. Dann verschwindet sie mit Paul im Schlafzimmer. Und dann? Was ist dann passiert? Am nächsten Tag, nach der Party, wird Emma von ihren Eltern vor ihrem Haus gefunden, bewusstlos, mit zerrissenem Kleid und einem schlimmen Sonnenbrand. Was im Schlafzimmer und danach geschehen ist, daran kann sich Emma nicht mehr erinnern. Filmriss. Ihre Mitschüler aber wissen es. Sie haben die Fotos gesehen, die im Internet aufgetaucht sind. Fotos, die zeigen, was während der Party im Schlafzimmer und danach geschehen ist. Emma ist entsetzt. Ist das wirklich sie auf den Bildern? Zweifeln tut niemand daran. Emma, die jeden rumkriegt und stets bereit ist, für die Jungs die Beine breit zu machen. Sie wollte es ja nicht anders, das Mädchen in dem kurzen Kleid. Alle sehen diese schrecklichen Fotos und nahezu jeder scheint sich sicher zu sein, dass Emma schuld ist.

 

Ich warne hier lieber mal vor: Es kann sein, dass diese Rezi nicht ganz spoilerfrei ist. Mir fällt es richtig schwer eine Rezension zu dem Buch schreiben, ohne genauer auf den Inhalt einzugehen. Denn nur so kann ich deutlich machen, wie furchtbar und gleichzeitig gut ich dieses Buch fand.

 

Mein Einstieg in die Handlung verlief sehr leicht, was eigentlich erstaunlich ist, da mir der Schreibstil anfangs gar nicht so zusagte. Mir kam er ziemlich chaotisch vor, da die Autorin viele Sätze in Klammern gesetzt hat und auch öfters in der Zeit gesprungen ist. Dennoch konnte mich das Buch sofort packen.

 

Wir lernen gleich zu Beginn die Protagonistin Emma kennen, aus deren Sicht wir alles in der Ich-Perspektive erfahren. Emma, das kann man leider nicht anders sagen, ist überhaupt kein Sympathieträger. Sie ist eingebildet, egoistisch, gönnt ihren Freundinnen nichts und möchte stets im Mittelpunkt aller stehen. Da lässt sich wirklich nichts beschönigen, Emma ist ein ziemlich unsympathischer Charakter und ich konnte zuerst keine Verbindung zu ihr aufbauen. Normalerweise stört mich so etwas in Büchern immer sehr, wenn ich die Protagonisten nicht leiden kann. Ein Pluspunkt war es hier natürlich auch nicht, mich hat es aber dennoch nicht davon abgehalten weiterzulesen. Dafür war meine Neugier auf die weiteren Geschehnisse einfach zu groß.

 

Emma macht zudem eine sehr große Verwandlung in dem Buch durch. Das Buch ist in zwei Abschnitte geteilt. Der erste Teil ereignet sich vor der schrecklichen Nacht, im zweiten Teil erfahren wir, wie es Emma ein Jahr danach ergeht. In diesem lernen wir eine Emma kennen, die sich sehr verändert hat.

 

Was auf der Feier geschehen ist, daran hat Emma keinerlei Erinnerung mehr. Aber es gibt Bilder, die zeigen, was sich zugetragen hat. Schlimme Bilder, erniedrigende Bilder, Bilder, die einen, ohne sie zu sehen, nur von den Beschreibungen her, richtig zornig machen und einen schockieren.

 

Noch schockierender ist allerdings, wie die Gesellschaft auf die Bilder reagiert. Anstatt Mitleid mit Emma zu haben und das Offensichtliche zu sehen, nämlich, dass Emma Opfer einer Vergewaltigung wurde, ziehen die Leute über Emma her, bezeichnen sie mit den übelsten Schimpfwörtern. Bissige, gemeine Kommentare werden zu den Bildern gepostet, diese Kommentare werden gelikt, wirklich niemand scheint zu Emma zu stehen.

Auf den Straßen wird Emma schief angeguckt, es wird hinter ihrem Rücken getuschelt, sie wird gemieden, niemand möchte in ihrer Nähe sein oder Kontakt zu ihr haben.

 

Emma versucht zuerst noch, alles herunterzuspielen. Dies gelingt ihr aber nur sehr kurz. Sie beginnt sich vor allen zurückzuziehen, geht nicht mehr zu Schule, ist eine Gefangene ihres eigen Gedankenkarussells.

Mich hat es so entsetzt, wie mit Emma umgegangen wird und das einfach niemand erkennt, dass sie das Opfer ist und das alles nicht gewollt hat.

Am schlimmsten fand das Verhalten der Eltern. Dieses hat mich richtig zornig gemacht. Der Vater kann seiner Tochter nicht mehr in die Augen sehen und verbringt immer Stunden auf der Arbeit. Auch die Mutter lässt Emma deutlich spüren, dass sie ihr eigenes Kind nicht mehr erträgt und ihr die Schuld dafür gibt, wie die Familie nun dasteht.

Nur Emmas Bruder steht zu ihr und versucht ihr zu helfen. Emma jedoch lehnt seine Hilfsangebote ab, kann sie einfach nicht annehmen, weil sie sich zu schuldig fühlt. Nur trägt sie gar keine Schuld, das ist dem Leser von Anfang an klar.

 

Auch nach einem Jahr, nach dieser furchtbaren Nacht, kreisen Emmas Gedanken ununterbrochen um den Vorfall.

„Gespreizte Bein. Entblößtes Fleisch.“

Diese Sätze lassen Emma nicht los, sind mittlerweile fest in ihrem Kopf verankert. Da wir alles aus Emmas Sicht erfahren, bekommen auch wir diese Sätze immer wieder zu lesen. Dies mag nervig klingen, ist es aber nicht. Es verdeutlicht nur, wie sehr Emma leidet und wie fertig sie das alles macht.

 

Richtig frustriert hat mich das Ende. Es ist leider die Realität, zumindest in den meisten Vergewaltigungsfällen. Wie das Buch endet lässt einen wütend und fassungslos zurück. Louise O´Neill beschönigt in ihrem Roman wirklich nichts. Absolut authentisch und ehrlich beschreibt sie Emmas Fall, welcher die grausame Wahrheit erzählt.

 

Das Buch ist wirklich keine leichte Kost und ich würde es auch keinem empfehlen, der nur schwer mit dem Thema Vergewaltigung umgehen kann. Wer aber denkt, dass er damit klarkommt, der sollte das Buch unbedingt lesen. DU WOLLTEST ES DOCH ist in meinen Augen ein sehr wichtiger Roman, den man gelesen haben sollte. Mut machen tut einem die Geschichte nicht, aber sie zeigt auf, wie wehrlos Vergewaltigungsopfer leider meistens sind und das dagegen ganz dringend etwas unternommen werden sollte.

 

Fazit: Schockierend, authentisch, erschütternd. DU WOLLTEST ES DOCH ist ein Roman, der einen aufwühlt, einen nachdenklich stimmt, der einen frustriert und wütend zurücklässt und einem noch sehr lange nach dem Lesen beschäftigt. Das Buch ist wirklich alles andere als leicht verdaulich, dennoch sollte man es meiner Meinung nach gelesen haben. Ich kann DU WOLLTEST ES DOCH absolut empfehlen und vergebe volle 5 von 5 Sternen!