Rezension

Ein schönes, ehrliches Sommerbuch

Unverblümt im Sommerwind - Simone Veenstra

Unverblümt im Sommerwind
von Simone Veenstra

Bewertet mit 4 Sternen

„Ich will, dass mich Menschen mögen, ich will einen Job behalten und gut darin sein, ich will endlich irgendwo dazugehören und bleiben. Und wenn das bedeutet, dass ich lernen muss zu lügen, dann ist das eben so.“ (S.57)

Judith, die lernen möchte zu lügen. Ben, der immer wütend ist. Lydia, die sich hinter ihrer Kapuze versteckt. Rita, die sich einsam fühlt. Josef, der nicht loslassen kann. Maren, die keine Wände mag. Und Hund, der keinen Namen hat, aber trotzdem der fröhlichste von allen ist. Zusammen stellen sie sich ihren Problemen. Gemeinsam in der Villa Pippilotta auf Föhr. Denn dazu ist sie da. „Ich dachte, das ist der Grund, weshalb man hierherkommt? Um neu anzufangen.“ (S. 103)

 

Mit ausschweifenden Beschreibungen, malt die Autorin eine humorvolle, ehrliche Geschichte rund um Judith, Hund und ihre Freunde. Dabei werden ausgefallene Wörter benutzt, Floskeln hinterfragt, und mit viel Humor die Ehrlichkeit in die Welt gebracht.

 

„Freut mich?“ […]

„Ehrlich?“, provozierte er und bemerkte überrascht, dass sie wirklich überlegte.

„Ja, ich glaube schon. Vorhin hätte ich das wohl nicht gedacht, aber inzwischen sind Sie … ein bisschen netter geworden. Und interessanter.“ (S.102)

 

Auf dem Dachboden der Villa Pippilotta findet Judith die Tagebücher von Marens Großmutter Teda. Sie beginnt darin zu lesen und findet nicht nur eine Seelenverwandte in Teda, sondern auch eine Freundin.

Teda lebte 1911 auf Amrum, nicht weit von Föhr. Sie möchte ihre Tage nicht mit Handarbeiten vor dem Feuer verbringen. Stattdessen möchte sie malen und, wie ihr Bruder, mit Holz arbeiten. „Sie wollte sich ausdrücken, Blicke erweitern, Möglichkeiten erschaffen, sie wollte etwas tun, bei dem sie sich lebendig fühlte, am liebsten mit anderen, für andere. Und frei wollte sie sein, frei zu wählen, mit welchem Werkstoff sie das tat und mit wem!“ (S. 363) Teda lässt sich nicht ihr Leben vorschreiben, sondern nimmt es selbst in die Hand.

 

Die Parallelen zwischen Judith und Teda runden das Gesamtbild ab und führen die Erzählstränge zusammen. Während Judith das Lügen lernt und allen anderen mit ihren Problemen hilft, hilft sie Teda, endlich zu Wort zu kommen.

 

Müsste ich das Buch mit einem Wort beschreiben, wäre es „[…] ehrlich, auch wenn es manchmal wehtut.“ (S.487) Denn wenn mehr Menschen wie Judith reden würden, gäbe es weniger Missverständnisse. Floskeln ohne Bedeutung und leere Worte würden verschwinden.

„Hier und jetzt würde ich dir das Blaue vom Himmel herablügen […].“

„Blau, wieso eigentlich Blau?“ (S.488 f.)

Die Freundschaft ist ebenso echt, wie die sich anbahnende Liebesgeschichte. Es gibt Höhen und Tiefen, die aus flüchtig Bekannten Freunde werden lässt. Nichts ist unnötig verschönert oder übertrieben romantisch. Wie im wahren Leben, einfach ehrlich.