Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Ein schwieriges, aber aktuelles Thema

Blueprint, Blaupause - Charlotte Kerner

Blueprint, Blaupause
von Charlotte Kerner

Bewertet mit 4 Sternen

In einigen Teilen der Welt kann man bei künstlichen Befruchtungen schon heute das Geschlecht oder die Augenfarbe des Ungeborenen bestimmen. Die Genforschung entwickelt sich rasant weiter. Theoretisch wäre es sicherlich bereits möglich, Menschen zu klonen, schließlich ist es schon 18 Jahre her, dass so etwas erstmalig bei einem Säugetier gelang. Wie lange wird es noch dauern, bis Neugier und Profitgier die Wissenschaftler diese Grenze überwinden lassen? Dabei sind die moralischen Bedenken, die einen in diesem Zusammenhang einfallen mögen, nicht von der Hand zu weisen. Wie würde sich jemand fühlen, der "nur" ein Klon ist? Was macht das mit der Persönlichkeit eines Menschen? Würde man Klone nicht meist zu einem bestimmten Zweck erschaffen und wäre dies ethisch vertretbar? Und was passiert, wenn sie diesen Zweck nicht erfüllen? Kann eine "Kopie", eine Blaupause eines Menschen überhaupt eine eigenen Persönlichkeit und ein unabhängiges Leben entwickeln?

Diese und mehr Probleme werden von Charlotte Kerner durch die Augen der beiden Protagonisten Iris und Siri gezeigt. Siri ist der erste menschliche Klon der Welt und ihre Mutter (und gleichzeitig Zwillingsschwester) ließ sie erschaffen, um zu verhindern, dass ihr herausragendes Talent durch ihre Krankheit ausgelöscht wird. Einerseits empfindet Siri grenzenlose Liebe für ihre Mutter und wünscht sich nichts sehnlicher, als ihr nachzueifern, doch irgendwann wird kommt auch ein Klon in die Pubertät und möchte sich von seinen Wurzeln lösen... Doch was ist, wenn man sich nicht ausprobieren kann, sondern gezwungen wird, das Leben eines anderen zu leben?
Ich bin ehrlich gesagt mit Iris nicht wirklich warm geworden. Klar hat sie Angst vor dem Endstadium ihrer Krankheit, aber ihr grenzenloser Egoismus und ihr fehlendes Empathievermögen machen es schon recht schwer, ihre Entscheidungen nachzuvollziehen. Außerdem bleibt ihre Persönlichkeit auch ein wenig farblos, da außer diesen beiden sehr prominenten Eigenschaften nur wenige Charakterzüge ausgearbeitet werden. Umso beeindruckender finde ich die Entwicklung von Siri: Hier ist es der Autorin gelungen, einen wirklich runden Charakter mit Ecken und Kanten zu schaffen, den man im Laufe des Buches als immer sympathischer empfindet. Allerdings scheinen auch Siris Handlungen und Gedanken nicht immer nachvollziehbar, und sind teilweise äußerst impulsiv und sprunghaft, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass sie innerlich ziemlich zerrissen ist und man sie zeitweise fast als Mensch mit mehreren Persönlichkeiten erlebt.

Der Schreibstil der Autorin ist eher nüchtern, sodass der Fokus des Lesers wirklich auf die Handlung bzw. die Protagonistin gelenkt wird. Dadurch wird es leichter, sich auf das Geschehen einzulassen.

Wäre dieser Roman nicht inhaltlich derart brisant, hätte ich ihn wahrscheinlich als sehr durchschnittlich empfunden. Aber die Autorin arbeitet die Thematik so gut und verständlich auf, dass ich trotz einiger kleinerer Kritikpunkte 4 Sterne vergebe.