Rezension

Ein Segeltörn mit wenig Höhen und vielen (Un)tiefen....

In blaukalter Tiefe -

In blaukalter Tiefe
von Kristina Hauff

Bewertet mit 2.5 Sternen

Der ehrgeizige und sehr erfolgreiche Staranwalt im Wirtschaftsstrafrecht Dr. Andreas Kepler und seine Frau Caroline, mit der er seit 24 Jahren verheiratet ist, plant einen gemeinsamen Segeltörn in die wildromantischen schwedischen Schären; Andreas nimmt seinen Kompagnion in der Kanzlei, Daniel und dessen Freundin Tanja mit - Daniel ist ein Kandidat, der als Teilhaber in der erfolgreichen Kanzlei von Kepler und Kollegen gute Chancen hat.... Als Skipper, der im Roman sehr mysteriös dargestellt wird, tritt Eric Fauré, ein in der Bretagne geborener Franzose auf, so heuern die zwei ungleichen Paare auf der "Querelle" an; einem schönen Segelboot, das Eric sein Eigen nennt: Bereits der Name hätte darauf hinweisen können, dass die anfängliche gute Laune ins Gegenteil umschlagen könnte....

 

Meine Meinung:

 

Als LeserIn begibt man sich mit auf das Segelboot und legt in Richtung Schweden - den schönen Schären - ab, an Bord Andreas und Caroline sowie Daniel und Tanja wie auch der geheimnisvolle, aber sehr erfahrene Skipper Eric: Bereits vor dem Segeltörn gibt es kurze Einblicke in die handverlesenen Figuren an Bord: Andreas, der es gewohnt ist, "der Chef" zu sein und überall (aus gewissen Gründen) Beachtung seiner Person sucht; der aber auch selbstbezogen ist und im Job sicherlich 'knallhart'; als Selbstoptimierer kommt er im Romanverlauf dennoch zuweilen selbstkritisch rüber. Caroline, die smarte, gebildete, elegante und kluge Chefredakteurin von "My Stile", die weiß, dass sich Andreas und sie längst auseinandergelebt haben und in diesem Segeltörn die Chance sieht, sich wieder einander zuzuwenden oder zumindest annähern zu können. (Andreas jedoch keinerlei Chance dazu gibt, eine Veränderung in der etwas toxischen Beziehung zu erwirken).

Daniel, der sich auf jeden Fall dem "Chef" gegenüber beweisen, nichts falschmachen will, das auf seine Karriere in der Anwaltskanzlei negative Auswirkungen haben könnte. Schnell wird klar, dass er lernschnell und flink reagiert, was Eric dazu veranlasst, bei bestimmten Segelaufgaben an die Crew eher nach Daniel zu rufen als nach Andreas: Zwischen Andreas und Eric baut sich recht schnell eine Rivalität und auch Ärger auf, der man auf einem engen Segelboot so schnell nicht entkommt. Tanja ist anfangs sehr unsicher und schreibt sich keine der positiven Eigenschaften zu, mit der sie Caroline ausstattet. Alle sprechen sich - im Gegensatz zu ihrem Alltagsleben - auf See und auf dem Segelboot mit "du" an; was für Daniel, der sehr obrigkeitsdenkend scheint, zunächst sehr fremd ist -besonders Andreas gegenüber...

 

Geben sich anfangs alle Mühe, eine gute Stimmung an Bord zu erzeugen und diese mit guten Weinen, erlesenen Speisen und einem wunderschönen Landschaftspanorama stimmig zu machen, so täuscht nichts über die Abgründe hinweg, die sich besonders zwischen Andreas und Carolonine beziehungstechnisch auftun: Hier kam jede Menge hochexplosiver "Sprengstoff" mit an Bord, der sich dann auch nach und nach entlädt - und Tanja von Andreas so sehr in die Enge getrieben wird, dass sie beschließt, mit der nächsten Fähre zurückfahren und damit Daniel verlassen zu wollen: Um dies zu verhindern, sinnen Andreas und Daniel darüber nach und legen kurzerhand fest, dass die Route geändert und ein Tag Pause auf einer kleinen unbewohnten Insel eingelegt wird; mit der Absicht, dass sich alles beruhigt - und alle beruhigen. Leider spielt das Wetter ihnen einen Streich und es kommt trotz der Warnung des Skippers, die in den Wind geschlagen wird, zu einer mehr als brenzligen und auch gefährlichen Situation, die von einem Crewmitglied ausgelöst wird...

 

Anfangs fand ich den Segeltörn sehr interessant zu lesen; allerdings nahm dieses Interesse in dem Maße ab, mit dem ich erkannte, dass mir fast sämtliche Figuren mehr als unsympathisch sind: Eine Ansammlung von Selbstbezogenheit, die Unfähigkeit, miteinander in konstruktive Dialoge zu treten, Beziehungsprobleme aufzuarbeiten - all dies machte es mir schwer, bis zum Ende "an Bord" zu bleiben (nach 200 Seiten ging es mir wie Tanja, ich wollte am liebsten aussteigen). Tanja und Eric Fauré waren die einzigen beiden Menschen auf der Querelle, die ich danach noch ertragen konnte; Andreas war mir trotz Selbstreflexion sehr unsympathisch und Caroline noch viel mehr; diese Figur konnte ich in der Entwicklung am allerwenigsten verstehen - und fand diese auch sehr unehrlich: Ich hätte Andreas und Caroline einen Segeltörn mit anderem Ausgang gewünscht, der jedoch eine erfolgreiche (oder auch erfolglose) Paartherapie zuvor vorausgesetzt hätte. Erics klare Worte gefielen mir in diesem Zusammenhang am allerbesten [;)]

 

Kristina Hauff hat einen guten Schreibstil und die Spannung war durch den stetigen Perspektivenwechsel durchaus gegeben; auch den atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen konnte ich durchaus etwas abgewinnen: Jedoch überwog die Antipathie gegenüber den HauptprotagonistInnen und ich kann mich der Aussage der Autorin im Nachwort nur anschließen: Solltest Du eine Segelyacht chartern, überlege gut, wen Du mit an Bord nehmen willst....

 

Fazit:

 

Auf Hochglanz getrimmte, glattpolierte menschliche Fassaden, die auf engstem (Segelboot)raum mit bezeichnendem Namen (Querelle - französisch für Streit) ganz gehörig bröckeln.... Da mir die Figuren sehr wenig sympathisch waren, war ich in diesem Falle froh, nach 288 Seiten von Bord gehen zu dürfen. Das Erschreckendste: Es ist in der Realität sehr gut vorstellbar, dass sich solche - oder sehr ähnliche Segeltörns zugetragen haben - oder noch durchgeführt werden - aber zum Glück ohne mich.