Rezension

Ein sehr bemerkenswerter Roman

Zwölf Leben - Ayana Mathis

Zwölf Leben
von Ayana Mathis

Bewertet mit 5 Sternen

Die Familie Shephard: Hattie und August sowie ihre zahlreichen Kinder stehen im Mittelpunkt dieses Familien- und Gesellschaftsromans.

Die junge Afroamerikanerin Hattie zieht 1925 aus Georgia nach Philadelphia, um hier ein besseres und gleichberechtigtes Leben zu führen. Doch schon frühzeitig wird sie schwanger und heiratet August. Und bald zeigt sich, dass das Leben in Philadelphia sehr hart ist. Die Kinder müssen versorgt werden und auf August ist nicht viel Verlass...

Der Aufbau des Romans ist sehr originell. Kapitelweise werden prägnante und punktuelle Einblicke in die Leben von Hatties Kinder zu verschiedenen Zeiten gewährt. Der Roman umfasst die Zeitspanne von 1925 bis 1980. (Am Ende findet man einen Stammbaum und eine Zeitlinie, so dass man, falls man den Überblick verlieren sollte, sich dort nochmal orientieren kann.)

Die Figuren sind sehr nahbar gezeichnet, so dass man sich gut in sie hinein versetzen und Sympathie und Verständnis entwickeln kann. Es ist sehr berührend zu sehen, wie alle der Kinder mit Einsamkeit kämpfen, unter seelischen Verletzungen ganz unterschiedlicher Art leiden und bemüht sind, einen Platz im Leben zu finden.

Hattie, die eigentliche Hauptfigur, ist eine beeindruckende Person. Ein sehr stolzer und zäher Charakter. Aufgrund vielfältiger Enttäuschungen und vor allem aufgrund des Verlust ihrer erstgeborenen Zwillinge, jedoch traurig, verbittert und zornig. Sie kämpft gegen die Armut, gegen Hunger, Krankheit und Not, um ihre Kinder am Leben zu halten. Für Zärtlichkeiten und emotionale Zuwendung bleibt keine Kraft und im Grunde weiß sie auch nicht so recht, was die Seelen ihrer Kinder brauchen.

Die Autorin zeigt hier eine wunderbare Erzählkunst. Man taucht schnell in den Roman ein und kann die Atmosphäre deutlich spüren. Mit teilweise beeindruckender Leichtigkeit werden tragische Momente geschildert. Die fast beiläufigen Beschreibungen der Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung empören und zeigen menschenunwürdige Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit.

Doch stets wird ohne moralischen Zeigefinger erzählt, es geht auch immer um Hoffnung, Vergebung, Verständnis und Entwicklung.

Sehr empfehlenswert!