Rezension

Ein Selbstmord, der alles und nichts verändert

Ein Winter in Paris - Jean-Philippe Blondel

Ein Winter in Paris
von Jean-Philippe Blondel

Bewertet mit 4 Sternen

Victor ist fassungslos als vor seinen Augen sein Kommilitone Mathieu aus dem Fenster springt. Hat er dem Druck der Vorbereitungsklasse nicht standhalten können? Plötzlich findet sich der Außenseiter Victor als Freund des Selbstmörders im Mittelpunkt des Interesses wieder. Soll er den Irrtum richtigstellen? Schließlich hat er Mathieu kaum gekannt. Doch dann lässt er sich einfach treiben durch einen Winter, der so viel verändert und doch einfach vorbeizieht.

Ein schmales Büchlein mit einer düsteren und facettenreichen Geschichte. Unzählige Symbole und Ungereimtheiten laden zum Nachdenken und Interpretieren ein. Die Protagonisten bleiben Leerstellen, die sich der Leser selbst füllen kann, durch seine eigene Sicht auf die Ereignisse und das Verhalten der Charaktere. Sympathie und Antipathie lässt sich kaum entwickeln, da man nur wenig erfährt. Selbst der Ich-Erzähler Victor bleibt geradezu substanzlos. Das empfindet man nicht als Manko, es fällt kaum auf, doch je mehr man über das Buch nachdenkt und versucht das Erzählte einzuordnen desto mehr stellt man fest wie wenig der Autor einem konkret an die Hand gibt. Der Versuch dies zu etikettieren wie Generationenkonflikt, Eltern-Kind-Beziehung oder Adoleszenz scheitert. Die Geschichte lässt sich nicht auf eine bestimmte Aussage reduzieren. Das ist eine Stärke des Buches, lässt mich persönlich am Ende aber etwas unzufrieden zurück.

Sprachlich ist das Werk großartig. Unzählige zitatwürdige Abschnitte möchte man sich herausschreiben. Virtuos führt einen diese Poesie durch die düstere Geschichte, in der jeder Charakter um sich selbst kämpft. Am Ende fehlte mir trotz aller Vorzüge doch ein Ankerpunkt.