Rezension

Ein so wunderbar stilles, melancholisches, zart romantisches Jugendbuch

Der Himmel in deinen Worten - Brigid Kemmerer

Der Himmel in deinen Worten
von Brigid Kemmerer

Bewertet mit 5 Sternen

Kennt ihr das, wenn Leute vollkommen anders schreiben, als sie sich in der Realität verhalten? Dann wartet mal ab, bis ihr Juliet und Declan kennt - denn Der Himmel in deinen Worten ist ihre Geschichte. Die beiden Teenager besuchen dieselbe Highschool, lernen sich aber nicht etwa dort kennen, sondern auf recht unkonventionelle Weise. Und zwar durch anonyme Briefe, die sie jeweils auf dem Grab von Juliets kürzlich verstorbener Mutter hinterlassen. Es klingt so traurig, wie es schön und einzigartig ist und allein das hat mich von Anfang an berührt und mir unheimlich gut gefallen. Auch dass Juliet und Declan sich immer weiter schreiben - ohne zu wissen, wer der jeweils andere ist und obwohl sie sich im richtigen Leben bereits kennen und gar nicht ausstehen können. Diese Konstellation erinnert sicher nicht nur mich an den Film "E-Mail für dich" - aber Kemmerer setzt diese Thematik völlig neu und originell um und gibt ihr dabei einen dramatischen, nachdenklichen Anstrich.

Denn Declan und Juliet tauschen sich nicht etwa über Belanglosigkeiten aus. Beide befinden sich an einem Punkt in ihrem Leben, an dem es alles andere als leicht ist, weiterzumachen. Beide haben düstere, melancholische Gedanken - wenn ihre Geschichten auch sonst komplett verschieden sind. Aber ihre Trauer ist etwas, das sie verbindet und so finden sie in dem jeweils anderen endlich die Person, mit der sie hemmungslos über alles sprechen können. Der sie die schwärzesten Gedanken anvertrauen können. Mich hat es unglaublich bewegt, Declan und Juliet dabei zu beobachten, wie sie endlich ihr Herz ausschütten und befreiter atmen können.

Bewegt haben mich aber vor allem die Schicksale der beiden. Declans noch mehr als Juliets. Declan scheint anfangs der stereotypische Bad Boy schlechthin zu sein und ich wollte schon entnervt aufstöhnen, denn solche Geschichten habe ich zur Genüge gelesen. Aber: Durch den Wechsel aus Briefen, Mails und Erzählung zeigt Kemmerer dem Leser die zwei Seiten von Declan, die ihn ausmachen. Sie gewährt uns von Anfang an einen Blick hinter die Kulissen und zeigt uns, wer Declan wirklich ist. Etwas, das Juliet erst nach und nach herausfindet. Im Prinzip helfen die beiden sich gegenseitig, ohne sich zu kennen, dabei, der Mensch zu werden, der sie tief im Inneren sind.

Declans Geschichte ist wirklich nervenaufreibend und sie enthält so viel Verbitterung, Wut, Verzweiflung, (Selbst-)Hass und Schuld, dass es manchmal beinahe wehtut. Einige Episoden fand ich wirklich furchtbar und vor allem furchtbar traurig. Er wirkt gebrochen und geht fast an sich selbst zugrunde - wäre da nicht Juliet beziehungsweise Cemetery Girl (ihr Pseudonym), die ihm Halt gibt. Und etwas, für das es sich lohnt, sich zu ändern. Übrigens ist die gesamte Geschichte frei von Kitsch und übertriebener Sentimentalität. Stattdessen ist die Handlung leise und ruhig, ganz still romantisch und wunderbar melancholisch. Es ist ein Jugendroman, der andere Töne anschlägt. Leise Töne. Und damit hat mich die Geschichte voll und ganz abgeholt.

Natürlich hofft man, dass Juliet und Declan zueinander finden und fiebert förmlich dem Moment entgegen, in dem sie herausfinden, wer der andere ist. Aber mir gefällt bei Der Himmel in deinen Worten ganz besonders, dass Kemmerer es eben nicht zu einer vorhersehbar kitschigen Jugend-Liebesgeschichte degradiert. Die Beziehung zwischen Declan und Juliet ist irgendwie auf einer ganz anderen Ebene - viel ernster, lebenswichtiger, zarter und voller unausgesprochener Gefühle. Ich liebe die Entwicklung, die beide bis zum Ende durchmachen, ich liebe es, wie sie ihre Vorurteile überwinden und sich vorsichtig einander annähern. Ich liebe einfach die ganze Geschichte!

Mein Fazit:

Und wieder habe ich ein echtes Jugendbuch-Highlight gefunden: Brigids Kemmerers Der Himmel in deinen Worten ist so vieles: Wundervoll und authentisch geschrieben, originell erzählt, still melancholisch, herzzerreißend und vorsichtig romantisch. Mir gefällt dieses Zerbrechliche, das sowohl Juliet als auch Declan umgibt und mir gefallen die unheimlich vielen Nuancen der beiden Charaktere. Ein rundum traumhaft schönes Buch.