Rezension

Ein Sog in die Abgründe des Strebens nach vollkommener Perfektion und Kontrolle

Die Hochhausspringerin
von Julia von Lucadou

In einer Welt, die unserer erschreckend nah scheint, sind die beiden Protagonistinnen Riva und Hitomi völlig unterschiedlich, doch beide auf ähnliche Art und Weise in der komplett durchstrukturierten Klassengesellschaft gefangen. Riva, die Hochhausspringerin, ein Star mit vielen Fans, will hieraus ausbrechen. Hitomi soll sie davon abhalten. Schafft sie es nicht, droht ihr eine Strafe. Beiden steht damit die Abschiebung in die „Peripherien“ bevor - der einen freiwillig, der anderen unfreiwillig.

Julia von Lucadou beschreibt in ihrem Debütroman eine neue Welt. Glänzend, begehrenswert, perfekt - aber bei genauerem Hinsehen auch kalt, unpersönlich, komplett transparent und überwacht. Selbstoptimierung, sei es bei der Gesundheit und Fitness, der Beziehung oder der Arbeit, ist hier an der Tagesordnung. Perfekt zu funktionieren ist das oberste Ziel. Das spiegelt sich auch in der Sprache wieder. Einerseits in den Dialogen, aber andererseits auch in Lucadous Schreibstil, bis ins Detail perfekt konstruiert. Kühl, distanziert, prägnant.

Am besten taucht man möglichst unbedarft in diese Geschichte ab und lässt das Geschriebene wirken. Fast automatisch spielt sich ein Film vor Augen ab, dessen einziger Makel es ist, dass er zu kurz scheint, zu ausschnittshaft. Zwar ist der Roman in sich rund, die Figuren vielschichtig, der Spannungsbogen perfekt abgestimmt - aber dann ist der Film auch schon zu Ende, die eben noch so erschreckend realistisch wirkende Welt plötzlich wieder weit entfernt. Ich hätte mir vom Ende ein wenig mehr Nachgeschmack erhofft. Trotzdem ist das Buch eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich für Digital-Dystopien interessieren, und ein großartiges Debüt.