Rezension

Ein Sommer der zweiten Chancen

Vergiss den Sommer nicht - Morgan Matson

Vergiss den Sommer nicht
von Morgan Matson

"Vergiss den Sommer nicht" umfasst 478 Seiten und gliedert sich in sechs Teile mit insgesamt 40 Kapiteln. Abgerundet wird das Buch durch eine sympathische Danksagung der Autorin.

Geschrieben ist das Jugendbuch in der Vergangenheitsform aus Sicht der Ich-Erzählerin Taylor.

"Vergiss den Sommer nicht" ist im Mai 2013 als Taschenbuch im cbj Verlag erschienen. Die amerikanische Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel "Second Chance Summer" bei Simon & Schuster, New York. Übersetzt aus dem Amerikanischen wurde das Buch von Franka Reinhart.

Das Buch ist auch als ebook erhältlich.

Meine Meinung zum Buch:
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Nachdem ich von dem Erstlingswerk der Autorin "Amy on the Summer Road" so begeistert war, war klar, dass ich auch ihr neuestes Buch "Vergiss den Sommer nicht" unbedingt lesen musste. Und was soll ich sagen: Morgan Matson hat es erneut geschafft, mich zu begeistern.

"Vergiss den Sommer nicht" ist ein Buch mit einem sehr ernsten Hintergrund, der während des Lesens immer im Kopf herumschwirrt und sich einfach nicht ausblenden lässt. Dadurch kommt man als Leser in eine ganz besondere Stimmung, die zwischen Hoffen und Bangen schwankt. Irgendwie drückt man den Charakteren die Daumen, dass alles gut gehen wird. Und irgendwie weiß man doch, dass es in diesem Buch kein Happy End geben wird. Man kann Taylors Vater während des Verlaufes der Geschichte dabei zusehen, wie er immer mehr abbaut. Die ersten Wochen ist er noch ganz gut drauf. Aber seine Krankheit wird zunehmend stärker als er. Und das merken natürlich auch die Menschen um ihn herum. Vor allem für Taylor, die schon immer irgendwie eine besondere Beziehung zu ihrem Vater hatte, ist es schwierig, damit umzugehen. Aber auch für die Mutter und die Geschwister. Jeder reagiert irgendwie anders auf die Tatsache, dass der Tod des Vaters unausweichlich zu sein scheint. Und gleichzeitig wollen alle sich gegenseitig Schutz geben, die Familie wächst ganz eng zusammen und muss am Ende dem Unausweichlichen einfach ins Auge schauen...

"Vergiss den Sommer nicht" ist aber gleichzeitig- oh Wunder - ein Sommerbuch. Ihr braucht also keine Angst zu haben, dass ihr durch dieses Buch deprimiert werdet oder es die ganze Zeit nur traurig ist. Kennt ihr "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" von John Green? Dort bin ich zum ersten Mal dem Genre "Krebsbuch" über den Weg gelaufen. Und eins ist klar: "Vergiss den Sommer nicht" ist kein Krebsbuch!

Es erzählt stattdessen verstärkt von lauen Nächten, von langen Abenden am See, von Unbeschwertheit, von Freiheit. Es ruft in seinen Lesern den Wunsch hervor, die Sachen zu packen und ans Meer zu fahren. Es weckt sehnsuchtsvolle Gefühle und vermittelt eine tolle Stimmung, die von der ersten Seite an gefangen nimmt. Besonders der bildhafte Schreibstil der Autorin sorgt dafür, dass man sich mühelos in die Handlungsumgebung hineindenken kann und das Beschriebene wie ein Film vor dem geistigen Auge abläuft. Ich habe mir während des Lesens gewünscht, noch einmal jung zu sein. So wie Taylor. Die ganze Zukunft liegt vor mir, aber ich mache mir darüber erst mal keine Gedanken, sondern lebe ganz unbeschwert in den Tag hinein. So etwas kann man wirklich nur genießen, wenn man jung ist. Und leider erkennt man da noch nicht, in was für einer vorteilhaften Position man steckt. Auch Taylor geht das so. Eigentlich ist sie total genervt, dass sie den Sommer mit ihrer Familie verbringen muss. Und irgendwie weiß sie auch so gar nichts mit sich anzufangen. Aber das ändert sich glücklicherweise im Verlauf des Buches und Taylor merkt, wie wichtig es ist, den Sommer am See in vollen Zügen zu genießen.

Taylor ist eine großartige Ich-Erzählerin, die mir sofort sympathisch war. Überhaupt ist der Erzähl- und Schreibstil der Autorin so locker und leicht. "Vergiss den Sommer nicht" liest sich einfach und schnell weg, dabei wünscht man sich doch, dass das Buch nie enden möge. So toll ist es einfach.

Aber eines muss ich auch klarstellen: Ich mochte nicht alle Seiten an Taylor. Vor allem ihr Drang, vor jedem Problem wegzulaufen, hat mich gestört. Und so gab es in diesem Buch auch eine Entscheidung von ihr, die ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte, und für die ich am Ende einen halben Stern in meiner Bewertung abziehen muss. Dieses Manko wiegt für mich doch so schwer, dass ich einfach nicht die volle Punktzahl geben kann.

Ich verrate an dieser Stelle natürlich nicht, was mich so extrem an Taylors Verhalten gestört hat. Ihr könnt das Buch ja selbst lesen und vielleicht geht es euch so wie mir und ihr findet heraus, an welcher Stelle Taylor für mich unverständlich gehandelt hat. ;-)

Taylor macht in diesem Buch eine große Entwicklung durch, das ist offensichtlich. Aber es ist ein mühsamer Weg und so manches Mal hätte ich sie doch gerne gepackt und ihr gesagt, dass sie sich endlich mal zusammenreißen soll, dass sie sich endlich mal ihren Sorgen und Ängsten stellen soll, dass sie endlich mal lernen soll, über ihren eigenen Schatten zu springen. Aber Taylor ist nun mal sehr eigen und sie braucht die Zeit, die ihr das Buch bietet, um zu lernen und sich selbst mit den Augen der anderen zu sehen.

Nicht nur Taylor als Ich-Erzählerin, sondern auch die anderen Charaktere sind toll gezeichnet. Da wäre zum Beispiel Taylors Schwester, die Prima-Ballerina, die sich anmutig durch das Haus bewegt. Jeder ihrer Schritte ist für sie mit einer bestimmten Ballett-Position verbunden und sie macht auch schon das ein oder andere Mal spontan einen Spagat, um dafür anerkennende Blicke zu bekommen. Oder Taylors Bruder, der Streber, der nur Fachliteratur liest und die anderen an seinem Wissen teilhaben lassen möchte. Okay, manchmal hat er mich schon ein wenig damit genervt, aber irgendwie auf eine sympathische Art und Weise. ;-) Jede Figur hat ihre Besonderheiten, die sie liebenswert machen. Und einzigartig. Und einfach ganz besonders. Ich habe mich während des Lesens als ein Teil von Taylors Familie gefühlt und das macht für mich auch ein ganz besonderes Buch aus. Allein Taylors Mutter blieb für mich etwas zu blass. Aber gut, sie war als Person vielleicht auch einfach nicht sooo wichtig... Als Hundefreundin hat es mich übrigens auch besonders gefreut, dass ein Vierbeiner in diesem Buch auftaucht und zudem keine unwichtige Rolle spielt. Aber das nur nebenbei.

"Vergiss den Sommer nicht" beschäftigt sich nicht nur mit der Tatsache, dass Taylors Familie zum letzten Mal gemeinsam einen Sommer am See erlebt. Vor allem die zusätzlichen Probleme der jugendlichen Taylor werden beleuchtet. Eigentlich hatte sie sich nämlich vorgenommen, nie wieder in das Ferienhaus ihrer Eltern zu fahren. Vor ein paar Jahren ist hier etwas passiert, das dafür gesorgt hat, dass Taylor den Kontakt zu ihrer besten Freundin und zu ihrer Jugendliebe abgebrochen hat. In Rückblicken erfährt der Leser nach und nach, wie es dazu kommen konnte. Und vielleicht schafft Taylor es ja sogar, wieder alles ins rechte Lot zu rücken... Aber das lest ihr wie immer am besten selbst.

Obwohl. So viel möchte ich dann doch verraten: Es gibt in diesem Buch (natürlich) auch eine Liebesgeschichte und die fand ich einfach nur schön. Kein Kitsch, keine Gefühlsduselei, keine zu schnellen und oberflächlichen Bettgeschichten. Einfach nur schön. So mag ich das. :-)

Es gibt in diesem Buch ganz viele kleine Szenen, die es so besonders machen. Kleine Gesten, Blicke, kurze Kommentare. Ich kann das jetzt gar nicht richtig beschreiben, das müsst ihr wie immer selbst lesen. ;-) Aber irgendwie ging mir das auch schon bei dem ersten Buch von Morgan Matson so: Es sind irgendwie die Kleinigkeiten, die dem Buch das gewisse Etwas verleihen.

Das Buch erzählt von einer Familie, die in der Not zusammenwächst, von Freundschaften, die wiederbelebt werden, von Verzeihen und Vergessen, aber auch von Abschieden. Legt euch am besten ein paar Taschentücher bereit, wenn ihr dieses Buch lest. Ich habe auf jeden Fall welche gebraucht.

Mein Fazit:
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Ein Buch, das Sehnsüchte nach einem unbeschwerten Sommer weckt und gleichzeitig zeigt, dass das Leben nicht immer fair ist.